: Wie Oberweite 90, kein Hängebusen
Kuh „Carmen“ bei der „German Open“ in Osnabrück
RÜCKHOLZ/OSNABRÜCK taz ■ Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste im ganzen Land? „Die Carmen ist’s!“ – würde Bauer Christian Guggemos aus der kleinen Allgäuer Gemeinde Rückholz sagen. Denn er hat sie im Stall – die schönste Kuh weit und breit. Oder besser gesagt: eine der schönsten Kühe. Seine „Carmen“ hat viel Lob bekommen bei den „German Open“ in Osnabrück. Doch der Reihe nach. Bevor es so weit war, hieß es tagelang Waschen, Ölen, Haarelegen und Toupieren. Denn einfach raus aus dem Stall und rein in den Ring geht nicht. Schon vor der Paradeschau der schönsten deutschen Kühe war sich Christian Guggemos sicher, dass seine sechs Jahre alte „Carmen“ auch richtig gut ankommt beim kanadischen Preisrichter Lowell Lindsay. Der Bauer aus der idyllischen Allgäugemeinde hat dafür auch einiges getan. Die sechs Jahre alte Kuh, dreimal hat sie schon gekalbt, wurde wochenlang gewaschen, gebürstet und poliert. „Wir haben die Kuh mit spezieller Seife gereinigt, damit das Fell glänzt.“ Außerdem wurde Carmen geschoren auf einen Millimeter Felllänge. Die Hufe wurde gepflegt, das Euter mit Babyöl eingeölt.
Doch damit nicht genug. Carmen wurde in einem mit Stroh besonders bequem ausgelegten großräumigen Viehanhänger zur Formel-1-Strecke der Paradekühe transportiert. In Osnabrück angekommen, ging es sofort wieder ans Stylen. „Einen Tag haben wir nur damit verbracht, die Kuh herzurichten“ und wie das funktioniert, erklärt der Allgäuer Bauer so: „Da wird die Oberlinie präpariert, das heißt man Topline, der ganze Rücken. Es werden die Haare von einem Styler und Fitter auftoupiert!“ Besonders begeistert war er von der Begeisterung junger Bäuerinnen oben im hohen Norden. „Die haben sich dermaßen engagiert um die Kühe gekümmert, das war wirklich sensationell.“ Doch auch er kann sich nicht beschweren, denn seine Frau ließ nicht einmal einen Funken Eifersucht auf „Carmen“ aufkommen: „Nein, überhaupt nicht. Ich bürste ja mit und freue mich, dass wir eine so prachtvolle Kuh im Stall haben!“ Bauer Guggemos hat es das erste Mal erlebt, wie es ist, mit einer Prachtkuh zu einer solch großen nationalen Paradeschau zu fahren. Begleitet haben ihn und seine Carmen eine ganz Portion Zuversicht – schließlich hat Carmen im Freistaat Bayern vor kurzem erst eine Euter-Show gewonnen – und einige weitere Allgäuer Bauern mit ebenfalls recht bemerkenswerten Kühen. Von seiner „Carmen“ schwärmte er kurz vor der Abfahrt noch: „Schauen Sie, das ist ein schön ausgeprägtes Euter, das sehr lang ist, sehr tief ist, schöne Strichstellung. Die Striche, das sind die Zitzen. Die Zitzenlänge passt, die Zitzenstellung passt, also das ist wie eine Oberweite 90, kein Hängebusen!“ Wohl dem Landwirt, der so von seiner Lieblingskuh sprechen kann!
Der Preisrichter kam freilich nicht ganz so sehr ins Schwärmen bei „Carmen“ wie ihr Besitzer. Er vergab für sie die Note 1 d, was dem vierten Platz entspricht. Bauer Guggemos ist damit hoch zufrieden, auch wenn er seine Lieblingskuh ganz gerne auf dem Treppchen gesehen hätte. Aber neidlos gesteht er ein, dass die Kuh seines Kollegen, die den ersten Platz gemacht hat, ein noch ausgeprägteres Euter hat und damit verdient noch vor seiner „Carmen“ lag.
Bei den nächsten German Open ist er wieder mit von der Partie. „Die ganze Atmosphäre, das Drumherum, ist einfach riesig“, kommentierte er nach seiner Rückkehr aus Osnabrück.
KLAUS WITTMANN
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