piwik no script img

Hertha würgt

Auch beim 1:1 gegen den SC Freiburg gelingt Röber und seinen Berlinern nicht der erste Sieg des Jahres

BERLIN taz ■ Es war an diesem frühlingshaften Spätwinter-Tag nicht sonderlich schwer zu erkennen, wer sich als Sieger wähnte und wer als Besiegter, obwohl das Spiel doch 1:1 ausgegangen war. In der einen Kurve des Berliner Olympiastadions ließen sich die Spieler des SC Freiburg vom mitgereisten Fan-Häuflein artig feiern, während just in der gegenüberliegenden die Angestellten der heimischen Hertha von Pfiffen begleitet geradewegs Richtung Kabine trotteten. Wem dies als Befindlichkeitsnachweis noch nicht ausreichte, der brauchte nur einen kurzen Blick in die sich anschließende Pressekonferenz zu werfen: Rechts auf dem Holzpodest stellte SC-Trainer Volker Finke seine gute Laune per Dauergrinsen zur Schau, links daneben gab sich der finster dreinblickende Kollege aus der Hauptstadt nicht einen Fatzen Mühe, seine neuerliche Enttäuschung zu verbergen.

Die Sorgen von Jürgen Röber mit seiner Hertha sind ja auch wieder gewachsen im neuen Jahr. Drei Spiele, kein Sieg, darin inbegriffen das Aus im DFB-Pokal, dessen Finale sich Röber stets als Abschiedsgeschenk gewünscht hatte – so war das nicht vorgesehen, als der 48-Jährige vor Weihnachten mehr oder weniger freiwillig seinen Weggang aus Berlin für den Sommer ankündigte. Damals, nach einer langen Siegesserie, hatte Röber durchaus das Zeug, die Saison als Märtyrer zu Ende zu bringen; spätestens nach dem fußballerisch arg blassen 1:1 gegen Freiburg aber steht allein wieder diese Frage im Raum: Wird Röber bis dahin überhaupt noch auf der Hertha-Bank sitzen?

„Wir müssen sehen, dass wir das vernünftig zu Ende bringen“, sagt Röber zwar unvermindert häufig; bei näherer Betrachtung aber wird ihm kaum verborgen bleiben, dass die Leistung seiner Mannschaft anno 2002 mit vernünftig kaum treffend beschrieben ist. „Im Moment würgen wir ein bisschen rum“, weiß Röber durchaus. So gab es gegen den SC zwar ein Plus an Kampf und Einsatz bei den Herthanern zu sehen, spielerisch aber lag erneut vieles bis so ziemlich alles im Argen. Und da am Samstag auch noch Berlins brasilianischer Ballzauberer Marcelinho – unter der Woche per Auto mit 1,27 Promille Alkohol im Blut und 120 Stundenkilometer innerhauptstädtisch unterwegs und dabei prompt erwischt – neben der Spur lief, sehnte man sich erstmals seit seiner Verletzung Sebastian Deisler zurück ins Team.

Volker Finke dürften die Probleme des Kollegen durchaus zupass gekommen sein, schließlich drücken auch den Freiburger Trainer ein paar Sorgen. „Personell haben wir einen echten Engpass“, sagte Finke, weil Schumann, Sellimi und Tanko sich nach wie vor in der Rekonvaleszenz, Coulibaly und Diarra beim Afrika-Cup befinden. Bedenkt man, dass sich zudem Sebastian Kehl nach Dortmund abgesetzt hat, ist wirklich erstaunlich, wie schnell der Freiburger Fußballlehrer wieder ein konkurrenzfähiges Team auf die Beine gestellt hat. Zwar habe man, das gibt Finke gerne zu, auch beim SC kurz überlegt, die Kehl-Millionen in Verstärkungen zu reinvestieren, sei dann aber doch schnell zu der Einsicht gekommen, „dass wir auch so mithalten können“. Notfalls greift Finke auf die vereinseigene Nachwuchsarbeit zurück und zaubert einen wie den 19-jährigen Jan Männer aus dem Hut, der gegen Hertha seine Bundesligaminuten fünf bis 28 bestritt.

All das reichte am Samstag zwar noch nicht ganz zum SC-typischen Kurzpassspiel in Reinform, gegen die schwächelnden Berliner aber doch immerhin zum Punktgewinn. Und zumindest der Führungstreffer durch Iaschwili (37.) war schon sehr sehenswert, weil wunderschön per Konter herausgespielt über Bruns und Tobias Willi. Dass die Berliner danach noch stürmischer anrannten, lag in der Natur der Sache. Dass dies auch nach dem vom Freiburger Kruse abgefälschten Ausgleichstreffer durch Alves (57.) anhielt und vor allem in den Schlussminuten verstärkt für Durcheinander im ansonsten wohlgeordneten SC-Deckungsverband sorgte, wurde zumindest aus Freiburger Sicht am Ende als nicht weiter tragisch empfunden. „Spiele werden ja nicht nach Spielanteilen und Chancen entschieden“, befand Volker Finke – und grinste dabei.

FRANK KETTERER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen