Trübe „Lichtgestalt“ für Sachsen-Anhalt

Ronald Schill präsentiert in Halle seinen Intimus Ulrich Marseille als Spitzenkandidaten der Partei für die Landtagswahl

HALLE taz ■ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) brachte sich am Samstag unter Dessauer Karnevalisten in Stimmung für den Wahlkampf. Währenddessen müdete in Halle in einem noblen Kongresszentrum die „Gründungsversammlung“ des Landesverbandes der Schill-Partei vor sich hin. Zuzuschreiben war dies möglicherweise den beiden optisch dominierenden Gruppen unter den 262 Delegierten: Pomadige Yuppies und ältere Herren. Lediglich Parteigründer Ronald Schill brachte es auf einen stehenden Applaus, nachdem er in gewohnter Weise die Landesregierung beschimpft und das deutsche „Gutmenschentum“ dafür verantwortlich gemacht hatte, dass wir uns die Probleme der Welt ins Land holten.

Ständige Warnungen vor Ressentiments gegen Westdeutsche und die Beschwörung einer notwendigen wirtschaftlichen „Lichtgestalt“ für das Land ließen aber schon am Morgen ahnen, auf wen das Schill-Theater in Sachsen-Anhalt letztlich zielt. Sein Favorit, der Hamburger Klinikunternehmer Ulrich Marseille, wurde dann auch erwartungsgemäß zum Landeschef gewählt, indes mit 41 Gegenstimmen.

Der Stimmungslage im Saal nach hätten es noch mehr sein müssen, denn an der Uneigennützigkeit und Seriosität der „Lichtgestalt“ zweifeln nicht wenige. Marseille beeilte sich denn auch, seine Klage auf 50 Millionen Euro Landesfördermittel für seine Seniorenparks nochmals zu rechtfertigen. Und Schill streute rührselige Stories über das soziale Engagement seines Lieblings, wie er zu Weihnachten singend und von seiner Frau am Klavier begleitet durch die Altenheime zieht.

Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Schill und Marseille könne sich auch bald umkehren, kolportierte ein prominenter CDU-Überläufer: „Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird!“ Marseille wird als Spitzenkandidat zur Landtagswahl am 21. April zwar auf den Plakaten, nicht aber auf der Landesliste der „Rechtsstaatlichen Offensive“ erscheinen. Dafür hätte er laut Satzung mindestens ein halbes Jahr in Sachsen-Anhalt wohnen müssen. Indes gehen er und Schill trotz eines jüngsten Umfrageergebnisses von nur noch zwei Prozent von einer Regierungsbeteiligung aus, für die Marseille zur Verfügung stünde. Nach dieser Testwahl will Schill über eine Beteiligung an der Bundestagswahl entscheiden.

Getragen wird die Partei in Sachsen-Anhalt von offiziell 788 Mitgliedern. Peinlich soll dabei das Image als Sammelbecken gescheiterter Parteikarrieristen und Abenteurer vermieden werden. Um Ämter und Mandate darf sich nur bewerben, wer mindestens ein halbes Jahr zuvor die Mitgliedschaft in einer anderen Partei niedergelegt hat. Anhänger sehen Schill vor allem als Alternative zu den etablierten Parteien. „Wenn es hier allerdings auch nur bei Sprechblasen bleibt, ist Schill ebenso schnell weg wie die Deutsche Volksunion vor vier Jahren“, sagt ein Mitglied. „Wie andere an Gott glauben, glaube ich jetzt an diese Partei“, bekennt ein 62-jähriges ehemaliges SED-Mitglied.

Das ebenfalls am Samstag verabschiedete, auf Sachsen-Anhalt zugeschnittene Parteiprogramm stellt nicht die Sicherheitsfrage, sondern die „Wiederherstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Wirtschaft und Politik“ voran. MICHAEL BARTSCH