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Real existierendes Trauerspiel

Goodbye, Gothrock: The Mission zeigten sich im Columbia Fritz als öde Hardcoreband

Es gab eine Zeit, Mitte der Achtzigerjahre etwa, als man im schlimmsten Schneegestöber mit baufälligen Autos von einer hessischen Kleinstadt in die andere fuhr, auf der Autobahn hängen blieb und dann tapfer weitertrampte, um es in letzter Sekunde noch zum Konzert zu schaffen. Hier wollte man für zwei Stunden dieser leistungsorientierten Gesellschaft entwischen, traurige Lieder mitzusummen, im Takt schaukeln und unter seinesgleichen sein. Für beinahe jede Gothicband wäre man weit gefahren, am weitesten für die Sisters Of Mercy und am zweitweitesten für The Mission.

Gut, dass in Berlin alles näher beisammen liegt, dass es zum Columbia Fritz nur eine halbe Stunde dauert. Ob man wirklich weiter gefahren wäre? Die Halle ist gut gefüllt, ein paar Gothics mit Latexhosen und Ledermiedern bekommt man auch zu sehen, das ist schön. Aber was da auf der Bühne geschieht, das ist weniger schön. Früher war man sehr beeindruckt von The Mission aus England – also vor allem von Sänger Wayne Hussey und Bassist Craig Adams, die sich von den Sisters Of Mercy getrennt und ihre eigene Band aufgemacht hatten. Ihre Hüte und langen, dreckigen Mäntel aus dem Italowestern inspirierte viele Lookalikes und Nachahmer wie die Fields Of The Nephilim. Davon ist heute nichts mehr übrig. Nicht, dass Wayne Hussey jetzt bis ans sein Lebensende mit Schlabbermantel durch die Welt laufen soll, aber seine komisch getönte Frisur und sein anspruchsloser Kleidungsstil wirken, als hätte er über die Jahre des ausbleibenden Ruhms seinen Geschmack restlos verloren.

Die erste Platte von The Mission, „Gods Own Medicine“ von 1986, gefiel durch metallene, schön verschleppte Gitarren. Typisch kehlig, aber auch etwas agressiver als bei den Sisters Of Mercy war der Gesang Wayne Husseys. Heute wirken The Mission nur noch wie eine bodenlos langweilige Hardcoreband mit wenig Sinn für Refrains und viel Talent, jede zarte Andeutung von nettem Songwriting in einem Einheitsgitarrenbrei zu ersäufen. Selbst alte Hits wie „Wasteland“ oder „Severina“ klingen nicht mehr so schön getragen, morbide und klagend wie früher.

Besonders deutlich wird die neue Verwaschenheit dieser Band, als sie eines der schönsten Lieder von Depeche Mode covern und in der tiefen Pfütze des trivialsten Schweinerocks vermatschen. Liebenswert soll es wohl wirken, als Wayne Hussey „Falling In Love“ anstimmt, einer der kalauerndsten und uncharmantesten Versuche, einen Elvis-Song zu covern, den die Welt je vernommen hat.

The Mission, die erstaunlicherweise nie aufgehört haben, Platten zu produzieren – ihre längste Pause in den Neunzigern dauerte vier Jahre – gehören nicht zu den Bands, die im Zuge des Achtzigerrevivals jetzt schnell noch ein paar Pfund verdienen wollen. Das ehrt sie, hilft aber nichts. Da ist es schon fast ein großer Trost, wenn eine Corinna aus Berlin ins Gästebuch am Merchandising-Stand schreibt: „Thank you for the concert. Keep faith with Goth.“

SUSANNE MESSMER

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