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„Mitbestimmung nicht verstanden“

■ Schüler-, Lehrer- und Elternkammer fühlen sich vom Schulsenator übergangen. Kritik an Schulzeitverkürzung

Weiter Gegenwind für Schulsenator Rudolf Lange (FDP). Das Problem der Staatsrat-Nachfolge scheint gelöst – am Mittwoch gab die Schill-Fraktion ihren Widerstand gegen den Billstedter Schulleiter Reinhard Behrens auf. Ges-tern nun hagelte es Kritik von den Kammern an Inhalt und Tempo von Langes neuer Schulpolitik.

„Ich habe den Eindruck, die wollen zeigen, dass sie nach 44 Jahren SPD schnell alles anders machen“, kritisierte die Lehrerkammer-Sprecherin Margarete Eisele-Becker auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Eltern- und Lehrerkammer. Die schon zum Sommer geplante Schulzeitverkürzung auf 12 Jahre sei aber „nicht solide und verantwortlich geplant“. Lange hatte angekündigt, ab Sommer 2002 der Klasse 5 eine Stunde Deutsch und Mathe zusätzlich zu geben. Hochgerechnet bis Klasse 7 bedeute dies, dass Schüler jeden Tag sieben Stunden haben. Eisele-Becker: „Dann sind die Schüler müde, das macht keinen Sinn.“ Ohne flankierende Maßnahmen wie zusätzliche Pausen würde so nur der „Selektionsdruck“ erhöht. Eisele-Becker: „Dabei sind wir stolz auf die Hamburger Abiturienten-Quote von 33 Prozent, die laut Pisa noch viel zu niedrig ist.“

„Herr Lange hat Mitbestimmung nicht verstanden“, kritisierte der SchülerInnenkammer-Vorsitzende Hanno Schulz. „Wir wollen nicht nur mitreden wie, wir wollen auch mitreden, ob etwas gemacht wird.“ Doch die Informationspolitik der Behörde sei denkbar schlecht. „Früher haben wir die Informationen direkt bekommen, heute erfahren wir alles nur noch aus der Zeitung“, ergänzt Sabine Bick von der Elternkammer. Ihre Sorge: bei dem Tempo, das der Senator vorlegt, bleibt die Mitbestimmung auf der Strecke. Einwände hat sie beispielsweise gegen die bereits im Haushalt eingeplante Abschaffung der Lernmittelfreiheit und die Aufhebung der Schulgebietsgrenzen bei der Grundschulwahl. Bick: „Ich halte eine soziale Entmischung in diesem frühen Alter für falsch.“ Auch das angekündigte Sprach-Screening vor der Einschulung bereitet den Kammern Sorge. Hanno Schulz: „Wir befürchten, dass Kinder nicht eingeschult werden, weil sie nicht gut deutsch sprechen“.

„Welche Konsequenzen Screening haben soll, ist noch offen“, sagt Schulbehörden-Sprecher Hendrik Lange, der für die Zukunft eine „feste Einbindung der Kammern“ verspricht. Der frühe Termin der Schulzeitverkürzung sei jedoch definitiv. Bekomme man die Gesetzesänderung nicht pünktlich durch die Gremien, so könne der Senator auch einfach per „Zusatzregelung“ den fünften Klassen mehr Stunden verordnen. Kaija Kutter

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