Auf Entdeckungsreise zum Mond

Vor drei Jahrzehnten legte Indien sein erstes Raumfahrtprogramm auf. Das Ziel ist, mit anderen Weltraumnationen mithalten zu können. Auch eine Rakete zum Mond steht auf dem Plan der indischen Raumfahrtagentur Isro

„Die Frage ist nicht, ob wir es uns leisten können. Die Frage ist, ob wir uns Ignoranz leisten können.“ Mit diesen Worten kommentierte der Chef der indischen Raumfahrtagentur Isro, Krishnaswamy Kasturirangan, vor zwei Jahren die indischen Mondflugpläne. Indien hatte im März 2000 angekündigt, in den kommenden Jahren ein Raumfahrzeug zum Mond zu schicken. Kritik seiner Landsleute an diesem Plan wies Kasturirangan zurück. Indien müsse seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, außerdem gebe es auf dem Mond noch viel zu entdecken.

Solche Worte sind typisch für indische Raumfahrtwissenschaftler. Indien verfolgt seit dreißig Jahren ein eigenes, äußert ambitiöses Raumfahrtprogramm. Ungeachtet seiner sozialökonomischen Probleme hat das Land Milliardensummen in sein Raumfahrtprogramm investiert und einen riesigen Raumfahrtsektor aufgebaut. Allein in seinem engeren staatlichen Teil arbeiten etwa 30.000 Menschen. Zwar pflegt Indien in der Raumfahrt eine rege internationale technologische Kooperation. Doch das Ziel ist: aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln zu einer Raumfahrtnation zu werden, die alles kann, was auch andere können.

Auf diesem Weg ist Indien bereits ein gutes Stück vorangekommen. Im Jahre 1980 startete die erste eigene indische Trägerrakete mit einem 35 Kilogramm schweren Experimental-Satelliten in eine Erdumlaufbahn, 1981 baute das Land seinen ersten eigenen Satelliten, den eine europäische Ariane-Rakete ins All schickte. Seitdem hat Indien insgesamt 34 Satelliten gestartet, darunter 14 auf eigenen Trägerraketen.

Viele dieser Satelliten dienten im Wesentlichen dazu, die technologische Funktionsfähigkeit der indischen Raumfahrtsysteme zu demonstrieren. Dabei musste Indien alle typischen Rückschläge einer jungen Raumfahrtnation hinnehmen: Einige Satelliten landeten in falschen Umlaufbahnen, bei anderen traten Funktionsprobleme auf.

Mit den Satelliten der frühen Neunzigerjahre unternahm die indische Raumfahrtagentur Isro auch wissenschaftliche Experimente, so etwa röntgenastronomische Beobachtungen. Sie blieben allerdings weit unter dem Niveau ähnlicher Forschungsvorhaben anderer Länder.

Ein Durchbruch in der Raumfahrt gelang Indien im Mai 1999, als es mit einer eigenen Rakete erstmals zwei ausländische Satelliten ins All beförderte, darunter den deutschen 45 Kilogramm schweren DLR-Tubsat. Ein zweiter derartiger Start fand im Oktober letzten Jahres statt, als Indien zusammen mit seinem Spionagesatelliten TES einen weiteren deutschen und einen südkoreanischen Satelliten in eine Erdumlaufbahn brachte. Indien will sich so auf dem Weltmarkt als attraktiver und vergleichsweise billiger Anbieter für Starts leichter und mittelschwerer Satelliten etablieren.

Seine schweren Kommunikationssatelliten der Insat-Serie konnte das Land bisher nur von europäischen oder US-amerikanischen Raketen bzw. dem Spaceshuttle ins All befördern lassen. Allerdings ist Indien auch hierbei auf dem Weg zum Durchbruch: Im April letzten Jahres brachte die leistungsfähigste indische Rakete, die mit kryogenischen Triebwerken ausgerüstete GSLV-D1, einen 1,5 Tonnen schweren Satelliten in eine geostationäre Umlaufbahn. Ein weiterer derartiger Start ist für dieses Jahr geplant.

Einzig ein Programm zur Beförderung von Menschen ins All wird Indien wohl auch langfristig nicht aufstellen. Dazu fehlen dem Land die technologischen und finanziellen Möglichkeiten. Allerdings ist Indien das einzige Land, das bei Raumflügen von Menschen die Quotenregelung erreicht hat – zufällig: Im Jahre 1984 verbrachte der erste indische Kosmonaut, Rakesh Sharma, acht Tage auf der sowjetischen Raumstation Saljut-7. Im November 1997 flog die Inderin Kalpana Chawla auf einem Spaceshuttle ins All.

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