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Die Figur hinter den Figuren

Diven-Attack: In „8 femmes“ (Wettbewerb) ringen Star-Actricen mit ihren Images

„8 Femmes“ ist ein Coup: Acht französische Schauspielerinnen – unter ihnen Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Fanny Ardant und Emmanuelle Béart – versammeln sich zu einer Hommage an das Kino und an dessen weibliche Stars. In einem 50er-Jahre-Setting geben sie den weiblichen Teil einer Familie, deren einziges männliches Mitglied eben mit einem Messer im Rücken gefunden wurde. Ort des Geschehens: ein Landhaus, das der Schnee von der Außenwelt abschneidet. Die Telefonleitung ist gekappt, das Auto rührt sich nicht. Wer war’s? Hitchcock hätte seine Freude gehabt. Und auch George Cukor, Vincente Minnelli oder Douglas Sirk hätten allen Grund, sich geschmeichelt zu fühlen. Denn „8 Frauen“ ist Krimi, Screwball-Comedy, Musical und Melodrama in einem, eine Mischung von Genres jener Zeit, in der das Studiosystem prosperierte und Schauspielerinnen noch Göttinnen gleich waren.

Neben ihre Figuren lässt Ozon die acht Actricen das je eigene Star-Image verkörpern: Catherine Deneuve spielt nicht nur die gutbürgerliche Gattin, sie verweist zugleich auch auf die vielen Figuren, denen sie Gestalt gab, und damit auf die anderen Figuren und Stars, von denen diese inspiriert waren. Wenn sie sich mit Fanny Ardant auf dem Boden wälzt – zunächst im Streit, dann in Lust – gibt sie noch einmal die Vampirin, die in „Begierde“ Susan Sarandon verführte. Wenn Isabelle Huppert als verbitterte Tante Augustine das Klavier aufklappt, sieht man sie noch einmal als Erika Kohut, selbst wenn Ozon zum Zeitpunkt der Dreharbeiten Hanekes „Die Klavierspielerin“ noch gar nicht gesehen haben mag. In einem anderen Augenblick schaut Romy Schneider uns an, auf einer Fotografie in der Hand Emmanuelle Béarts, und über den gesamten Film hinweg steuern die Protagonistinnen aus Cukors „Frauen“ Dialogzeilen bei.

Im Landhaus versammelt Ozon seine imaginären Figuren, lässt sie miteinander flirten und im Kreis tanzen, derweil die echten Figuren - also die Frauen der Familie – sich unfreundliche Sätze sagen: „Ich mag eine gescheiterte Bürgerliche sein. Du aber bist eine gescheiterte Hure.“

Hinzu kommen die Verweise, mit denen Ozon auf das eigene Oeuvre anspielt, auf den „Tanze Samba mit mir“-Tanz aus „Tropfen auf heiße Steine“ oder auf das Haus, das schon in „Sitcom“ den Figuren den Verstand raubte. Jenseits dieser Reminiszenzen schnurrt die erste Schicht des Plots ohne Makel: Enttäuschtes Begehren, Lebenslügen, familiale Dysfunktionen fügen sich zur luziden Komödie. Am Ende singt Danielle Darrieux, die Großmutter, dass es keine erfüllte Liebe gebe. Solange dieser Mangel einen Film wie „8 Femmes“ speist, kann er nicht wirklich schrecken.

CRISTINA NORD

„8 femmes“. Regie: François Ozon. Frankreich 2001, 103 Min.

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