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Infostand statt Kapelle

■ Ist Oldenburgs modebewusste Hauptkirche St. Lamberti bald eine große Baustelle? Damit der Oldenburger Bischof mehr Schäfchen in seine Kirche zu locken

Sechzig Jahre, das ist kein Alter. Zumindest in der christlichen Kirche gehören 60-Jährige inzwischen zum Jungvolk. Gottesdienste mutieren immer mehr zu Seniorentreffs - Kirche scheint „out“ zu sein. Diese Entwicklung möchten die Mitglieder der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Oldenburg jetzt stoppen.

Bischof Peter Krug hat sich zum Ziel gesetzt, die Lamberti-Kirche, immerhin Hauptkirche und Symbol Oldenburgs, attraktiver zu gestalten. Dazu hat er extra eine Arbeitsgruppe einberufen, die sich mit der Umgestaltung von St. Lamberti beschäftigt. Sie plant, den Westeingang der roten Backsteinkirche mit den vier Ecktürmen zu schließen und den Osteingang wieder zu öffnen. Ein ehemaliger Durchgang zwischen der Rotunde, dem Saal in dem Gottesdienste gefeiert werden, und der Kirchenkapelle soll ebenfalls wieder aufgerissen werden. Doch das ist noch längst nicht alles.

Die runde Kapelle, in der Menschen heute Taufen und Gottesdienste feiern, soll zum missionarischen Infostand werden. KIZ, Kommunikations- und Informationszentrum, nennt sich das Ganze. Ansprechen soll es Menschen, denen, so wörtlich in einem Arbeitspapier zum Lamberti-Projekt, „ihr religiöses Bedürfnis nicht bewusst ist“. Ihnen will man einen Einblick in die Gemeindearbeit ermöglichen und sie davon überzeugen, dass die Kirchensteuern sinnvoll eingesetzt werden. Kirche soll sich künftig transparenter zeigen. Doch wie bewegt man Atheisten, überhaupt einen Schritt über die Kirchtürschwelle zu treten? Ganz einfach: Man kloppt zwei neue Eingänge in die Backsteinfassade, um die Fußgängerströme der Oldenburger Innenstadt geradewegs in die Kirche zu leiten.

Derartige Umbauten sind für St. Lamberti allerdings nichts Neues. In ihrer langen Geschichte, die neun Jahrhunderte zurück ins Mittelalter reicht, zeigte St. Lamberti stets Modebewusstsein. Je nachdem, welcher Baustil gerade „in“ war, wechselte die imposante Kirche ihr Aussehen. Anfangs war sie romanisch, dann gotisch, später klassizistisch und bis heute gefällt sie sich in einer neugotischen Ummantelung. Denkmalschutz spielte damals noch keine Rolle. Und auch heute wird das Lamberti-Projekt daran vermutlich nicht scheitern.

Dem Paragraphen 36 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes entnimmt man Folgendes: Die Kirchen „werden Veräußerungen oder Umgestaltungen nur im Benehmen mit den Stellen der Staatlichen Denkmalspflege vornehmen“. Wiebke Dreeßen von der Denkmalschutzabteilung der niedersächsischen Bezirksregierung übersetzt: „Die Kirche muss im Grunde genommen nur Bescheid sagen“.

Doch so weit ist es noch nicht: „Die Diskussion fängt jetzt erst an“, sagt die Pastorin der Lamberti-Kirche Ruth Dannemann. Die promovierte Theologin ist nicht grundsätzlich gegen das KIZ. Aber: „Wir sollten uns mit aller Kraft bemühen, ein Haus neben der Kirche zu bekommen“. Für die 61-Jährige ist die Kapelle ein besonders sensibler Raum, ein Sakralraum, den man in seiner ursprünglichen Form nicht verändern dürfe. Doch hatte ihre Meinung bezüglich der Kapellennutzung bisher keinen Einfluss. Der Gemeindekirchenrat hat sie entgegen ihrer Bemühungen nicht in die Arbeitsgruppe des Projekts einberufen. Dennoch zeigt sie sich kämpferisch: „Bischof Krug wird das KIZ nicht in die Kapelle kriegen“.

Ob Pastorin Dannemann Recht behält, wird sich in einiger Zeit herausstellen. Erst müssen Architekten noch einen Blick auf die Pläne werfen, um einzustufen, was umsetzbar ist und was eben nicht. Nur eines steht schon fest, der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates und der Arbeitsgruppe, Pastor Edwin Notholt, macht es deutlich: „Das letzte Wort hat der Gemeindekirchenrat“. Michél Dallaserra

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