: Immer mehr arbeitende Arme
■ GAL-Anhörung zur Arbeitsmarktpolitik: Proteste geplant gegen Kürzungen und Absenkungen der ABM-Löhne
Das Motto der Anhörung „Zukunft der Arbeitsmarktpolitik“ hätte ein Fragezeichen verdient gehabt. Auf Einladung der GAL debattierten gestern rund 70 MitarbeiterInnen der Hamburger Beschäftigungsträger im Rathaus, welche konkreten Folgen die Streichung von 11,5 Millionen Euro im Bereich Arbeitsmarktpolitik haben wird.
Hauptdiskussionspunkt: Die geplante Absenkung der ABM-Löhne auf den niedrigsten nach dem neuen Job-Aqtiv-Gesetz möglichen Pauschallohn. So wird eine ungelernte Näherin auf dem zweiten Arbeitsmarkt statt bislang 1064 Euro nur noch 761 Euro ausbezahlt bekommen. Für Wolfgang Voelker von der Hamburger Diakonie steckt dahinter der Abschreckungs-Plan, bei den Beschäftigungsträgern angestellte Personen durch Unterbezahlung zu zwingen, sich schnell einen nicht geförderten Job zu suchen. Voelker: „Die Motivation der Beschäftigten ist aber schon jetzt größer als die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes.“
Für viele ehemalige SozialhilfeempfängerInnen gehe es in den Erwerbsprojekten erst einmal darum, aus der Sozialhilfe herauszukommen und Selbstbewusstsein wiederzugewinnen. Laut Voelker wird das durch die Neuregelungen erschwert. Durch die Dumping-Löhne werden viele der Beschäftigten auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sein. Wolfgang Voelker: „Niedriglöhne bedeuten keine Anerkennung. Die Beschäftigungsträger, die soziale Intergration fördern sollen, würden dadurch „Teil der sozialen Verunsicherung“. Statt in Gesellschaft und ersten Arbeitsmarkt würden die ehemaligen Arbeitslosen so nur „in die Gruppe der arbeitenden Armen integriert“.
Auch der soziale Nutzen des zweiten Arbeitsmarktes für Hamburg war Gegenstand der Anhörung. Ob biodynamisches Schulfrühstück, Renovierung des Michel oder soziale Stadtteilprojekte: Viele Dienstleistungen würden ohne den zweiten Arbeitsmarkt gar nicht existieren. Deshalb befürchtet Wolfgang Pages von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald durch die reduzierte öffentliche Arbeit auch einen „massiven Abbau staatlicher Leistungen“.
Die Träger und Projekte wollen sich nun gemeinsam gegen die Arbeitsmarktpolitik des Senats wehren. Auf Einladung des Zentrums zur beruflichen Qualifizierung findet am 26. Februar ab 15.30 Uhr in der Zentrumskantine (Kieler Str. 103) ein entsprechendes Auftakt-Treffen statt. Bereits gestern forderten die Beschäftigungsträger den Senat in einen „Hamburger Apell“ auf, die Arbeitsmarktpolitik nicht kaputt zu sparen und die Pauschal-Lohnabsenkung zurückzunehmen. Marco Carini
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