: Erst lachen, dann lieben
Die innere Schönheit suchen: In jeder von uns steckt eine Gwyneth Paltrow. Auch wenn Männer sie erst unter Einfluss von Hypnose erkennen können, wie in „Schwer verliebt“ von den Farrelly Brothers
von ANDREAS BUSCHE
Der Humor von Bobby und Peter Farrelly ist nicht wirklich lustig. Er fällt vielmehr als Retardierung sozialer Verhaltenskonventionen mit der Tür ins Haus. Daraus haben ihre bisherigen Filme wie „Dumm und Dümmer“ oder „Verrückt nach Mary“ nie einen Hehl gemacht. Wenn es furzte und ausfloss, war Frohsinn angesagt. Die denunziatorische Raserei gegenüber allem körperlich und mental Benachteiligten ist ihre Methode der Abgrenzung.
Seltsam moralische Untertöne brechen das gefestigte Bild über die Filme der Farrelly-Brüder allerdings; in ihrem brachialen Abgesang auf die Wertegemeinschaft wirken diese Untertöne wie vage Selbstvergewisserungsaffekte. Der Farrelly-Humor des Weg- beziehungsweise Auslassens – das Überspitzen einer Situation bis zum szenischen Kollaps, das Überspielen der Pointe mit grellen Effekten, die Sinn und Ordnung schlicht wegblasen – schafft so nur eine Gag-Option, auf die man sich einlassen kann, aber nicht muss. Mit dieser Ambivalenz haben sich ihre Filme meistens clever arrangiert, zumal in der Grobschlächtigkeit am Rande auch oft von der Diffizilität sozialer Verhältnisse erzählt wird. Könnte man zumindest so sehen. Eigentlich ist es aber wohl doch nur Sinntötung auf halbwegs selbstreflexivem Niveau.
Wie verändert sich die Wahrnehmung dieses prekären Humors ohne Wertekanon aber, wenn er unter melodramatischen Vorsätzen zurechtgestutzt wird? Wenn, wie in ihrem neuen Film „Schwer verliebt“, aus dem burlesken Holzhammer eine veritable Moralkeule wird? In „Schwer verliebt“ zeigt sich die ganze Schizophrenie der Farrelly-Filme, die letztlich doch wieder die zum Helden machen (müssen), deren Deformationen vorher anderthalb Stunden lang vorgeführt wurden.
Es ist nur konsequent, dass sich dieses schizophrene Potenzial im Objektiv der Kamera doppelt. Schon in ihrem letzten Film „Ich, beide und sie“ doppelte es sich im Kopf von Jim Carrey. Hal, ein nicht sehr ansehnlicher Angestellter mit höchsten Ansprüchen an die Beschaffenheit des weiblichen Geschlechts, lernt nach einer Hypnosebehandlung durch den Fernsehguru Tony Robbins, die innere Schönheit seiner Mitmenschen zu erkennen: Er verliebt sich in die 150 Kilo schwere Rosemary, die für ihn allerdings wie Gwyneth Paltrow aussieht. Der Film verrät diese Pointe notwendigerweise sehr schnell, denn sein ganzer Humor funktioniert über diesen schizophrenen Blick.
Dass der Film seiner Prämisse nicht so recht glauben kann, wird zu einem echten Problem in der Farrelly-Logik. Über die Hässlichen darf in „Schwer verliebt“ schließlich schamlos gelacht werden, weil sie charakterliche Krüppel sind. Derweil muss Gwyneth Paltrow trotz 300 Pfund Reingewicht Gwyneth Paltrow bleiben, um als Identifikationsfigur dienen zu können. An dieser moralischen Kehrtwende entblößt sich endlich also die Doppelmoral der Farrelly-Filme. Dass wir das dann auch noch lustig finden können, ist unser ganz persönliches Problem.
„Schwer verliebt“. USA 2001, Regie: Bobby und Peter Farelly, Darsteller: Gwyneth Paltrow, Jack Black
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