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Betr.: Sergej, 24, ist Neurochirurg, und Vita, 23, ist Augenchirurgin

Sergej, 24, ist Neurochirurg, und Vita, 23, ist Augenchirurgin. Sie leben in der Kleinstadt Kaluga. Ihre Eltern sind ebenfalls Ärzte:

Uns ist es eigentlich egal, welches ökonomische System unser Land hat, ob es eine Plan- oder eine Marktwirtschaft ist. Wichtig ist nur, dass jeder genug für ein normales Leben verdient und dass es ein vernünftiges Sozialwesen gibt. Und das ist heute beides nicht gewährleistet. Darum haben wir den Kommunisten Sjuganow, den einzigen Präsidentschaftskandidaten mit einem wirklichen Sozialprogramm, gewählt.

Wir lieben unseren Beruf. Wir wollen den Menschen helfen, gerade hier in der Provinz. Traurig ist nur, dass wir als Ärzte zwar ausgezeichnet ausgebildet sind, aber uns oft die Maschinen und Medikamente fehlen, um unsere Aufgaben optimal zu erfüllen. Wir nehmen den geringen Lohn in Kauf. Er reicht gerade fürs Essen und für dieses 16-Quadratmeter-Zimmer im Familienwohnheim.

Wegen des Lohns hatten wir vor kurzem ein Gespräch mit einem Automechaniker. Wir fragten ihn: „Wie kommt das, Sie verdienen mit ihrer Arbeit eine Unmenge Geld, und wir als Ärzte können kaum überleben?“ Er meinte: „Ist doch klar. Ich schaffe, im Gegensatz zu euch, materielle Werte!“ Trotz allem sind wir Optimisten und Patrioten! Wir wollen in Russland, hier in der Provinz bleiben. Im Ausland würden uns die Natur, die Einfachheit der menschlichen Kontakte und die selbstverständliche Gastfreundschaft fehlen.

Unsere Türe steht immer für alle offen, und es reicht immer für eine Tasse Tee und einige süße Kleinigkeiten. Das gehört einfach zum Leben. Wir wünschen uns ein Russland, das von der Welt geachtet wird und dass es soweit kommt, dass nicht Russland von der Welt Geld borgen muss, sondern die Welt bei Russland.

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