: „Liebe taz...“ Politisch gefangen
Betr.: „Junge Intensivtäter unter der Lupe“ vom 8.2. und „politische Manöver“ vom 12.2.
Früher habe ich die Unterscheidung zwischen „sozialen“ und „politischen“ Gefangenen nie verstanden. Seit ich auch vollzugsintern tätig bin, weiß ich, wie sehr straf-fälliges Verhalten von sozialen Gegebenheiten bestimmt ist. Gesellschaftliche Ausgrenzungsprozesse produzieren und fördern abweichendes Verhalten, was häufig zu Straffälligkeit führt. Heutzutage ist es angesagt, nicht mehr nach dem „Warum“ für diese Vorkommnisse zu fragen. Anstatt die zugrunde liegenden Ursachen anzugehen, wird auf der individuellen Schiene sanktioniert, und der Begriff des „Intensivtäters“ wurde geschaffen. Dabei ist es bemerkenswert, dass der Status „Intensivtäter“ nichts über die Schwere der verübten „Straftaten“ aussagt, sondern einzig und allein eine Aussage über die Anzahl der bereits erfolgten Vorverurteilungen macht – Quantität statt Qualität. Nach meiner Kenntnis führt also mehrfach wiederholte Kleinstkriminalität (Ladendiebstahl, Schwarzfahren, Drogenvermittlung) bereits zum Etikett des Intensivtäters. Anstatt sich einzugestehen, dass Bestrafung (Verurteilung und Inhaftierung) das Problem nicht löst, sondern nur den aus der Psychiatrie hinlänglich bekannten Drehtüreffekt produziert, wird das Individuum zum besonders schweren Fall gestempelt und erhält so die alleinige Verantwortung für den weiteren Verlauf. Cornelia Barth , Dipl. Sozialarbeiterin
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