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Es klatscht und knallt

Mit „Manga! Das Reich der Zeichen“ setzt die Gruppe lunatiks die Bildersprache der japanischen Comics in Theater um

Über mangelnde Fußhygiene bei Comichelden ist nur wenig bekannt. Denn meistens haben die viel Wichtigeres zu tun als an frische Socken zu denken: Die Welt retten zum Beispiel, böse Cyborgs bekämpfen oder Prinzessinen befreien. In der realen Welt jedoch kann Fußschweiß zu einem argen Problem werden. Vor allem wenn dreißig Menschen ohne Schuhe zwei Stunden lang auf wenigen Quadratmetern ausharren müssen.

Die Aufforderung an das Publikum, frische Socken anzuziehen, ist nur eine der Besonderheiten des „Theatercomics“ der Gruppe lunatiks. Geschuldet ist sie dem Aufführungsort des Stückes „Manga! Das Reich der Zeichen“, einer Büroetage im Glaskasten des Neuen Kranzlerecks direkt am Ku’damm. Auf mehreren hundert Quadratmetern Teppichboden bildet hier eine Wohnlandschaft mit Futonbett und Papierwänden die Kulisse der Inszenierung. Die Zuschauer sitzen auf Sitzkissen mittendrin – ihre Schuhe haben sie an der Garderobe abgegeben, wie es sich für anständige Gäste gehört.

Bewohner dieser Yuppie-Behausung ist Helmut (Matthias Herrmann), von Beruf Architekt und Anzugträger. Er muss sich unversehens mit einem ungebetenen Gast auseinander setzen, der sich in seiner Wohnung breit macht und seine Sushi- und Gewürzgurkenvorräte auffuttert. Es handelt sich um Mimi (Christine Rollar), die er auf der Fußmatte findet, und die Stein auf Bein behauptet, Helmut habe vergessen, sie am Flughafen abzuholen. Helmut jedoch ist sich sicher, das Mädchen noch nie zuvor gesehen zu haben. Woher also kennt Helmut die mysteriöse Mimi? Und wieso hat sie ein Foto vom in der Badewanne liegenden Helmut in der Handtasche? Um es gleich klarzustellen: Endgültig geklärt werden diese Fragen nicht. Sie bilden jedoch eine spannende Grundlage für einen Zwei-Personen-Reigen, den die Darsteller mit Engagement und Leidenschaft vor den Zuschauern ausbreiten. Doch eigentlich ist die Handlung nebensächlich, denn es geht vor allem um ein formales Experiment.

Wie ist es möglich, die Erzählweise und Bildsprache von Manga-Comics als Theaterstück darzustellen? Diese Frage haben sich Dramaturg Tobias Graf und Regisseur Tobias Rausch gestellt, als sie durch Improvisation mit den Schauspielern den Text entwickelt haben. Beim Spielen wird deutlich, welchen Spaß die Beteiligten beim Proben gehabt haben müssen.

Vor allem die Comic-Szenen stecken voller Spielfreude. Zum Beispiel wenn Mimi sich als explosives Superweib an Helmut heranmacht oder Helmut den einsamen Kühlschrankroboter mimt. Unter großem körperlichem Einsatz toben und balgen sich die Darsteller durch die Wohnung – und wenn sie zu Kung-Fu-Kämpfern mutieren, klatscht und knallt das ziemlich realistisch.

„Manga!“ ist ein Spiel mit Fiktion und Realität, das manchmal ein bisschen dick aufträgt, aber vor allem dank der Schauspieler nie langweilig wird. Da verzeiht man gerne auch den obligatorischen Brecht’schen Verfremdungseffekt, wenn Mimi sich direkt an das Publikum wendet. Am Ende schließt sich dann ein Kreis, und Mimi sagt: „Eigentlich könnten wir noch einmal von vorne anfangen.“ Nichts dagegen. DANIEL FERSCH

22. bis 24. 2., 1. bis 3. 3., jeweils 20 Uhr; Neues Kranzlereck, Kurfürstendamm 22, Charlottenburg

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