: Das Genie auf Ski
Kjetil-Andre Aamodt gewinnt im Super-G seine dritte olympische Goldmedaille, während sich Stephan Eberharter schlecht informiert fühlt
von FRANK KETTERER
Als das Meisterwerk endgültig vollbracht war und die zweite Goldmedaille, diesmal für den Sieg im Super-G, endlich am Hals von Kjetil-Andre Aamodt aus Norwegen baumelte, war die Zeit gekommen, um ein paar passende Worte zu finden für die große Tat von alpin-historischem Ausmaß. „Er ist das Genie auf dem Ski“, versuchte sich daran Martin Oßwald, der derzeit zwar nur Coach der deutschen Brettel-Loser ist, in besseren Tagen aber als norwegischer Nationaltrainer auch schon für die Form des Gehuldigten verantwortlich zeichnete. „Für mich“, fuhr Oßwald fort, „ist er der Größte. Und er wird immer der Größte bleiben.“
Das sind selbst in der bunten Welt des Sports recht große Worte – und doch lassen sie sich mit Zahlen belegen, leicht sogar: Dreimal Gold gewonnen bei Olympia, dazu zweimal Silber sowie ebenso viel Bronze – das hat noch kein Alpiner vor dem großen Norweger geschafft. Nicht Alberto Tomba, nicht Jean-ClaudeKilly, nicht Toni Sailer – und schon gar nicht der Österreicher Hermann Maier, der bisher nur zwei Goldene sein Eigen nennt.
Vielleicht hat Kjetil-Andre Aamodt am frühen Samstagnachmittag selbst ein bisschen zu viel Respekt bekommen vor dem eigenen Werk. Und vielleicht hat er sich das neuerliche Gold, diesmal im Super-G und nur drei Tage nach dem Triumph in der Kombination, auch deshalb mit überirdischen Kräften zu erklären versucht. „Was heute passiert ist, ist unglaublich. Irgendjemand will mir hier etwas Gutes tun“, erzählte der 30-Jährige aus Oslo da jedenfalls und gab ganz offen zu: „Ich hatte hier so viel Glück, das gibt es gar nicht.“
Speziell auf den Super-G vom Samstag trifft das zu: Als Dritter durfte Aamodt die tückische Grizzly-Piste hinunterschießen – und damit die noch oben im Starthäuschen versammelte Konkurrenz mit seiner fehlerlosen Vorstellung doch gewaltig unter Druck setzen. Gleich ein paarmal in der folgenden Stunde wackelte Aamodts Vorgabe zwar, doch fallen sollte sie nicht, weil sämtliche Mitbewerber am Ende doch einen Patzer einbauten, die meisten am Buffalo-Jump, dem letzten Sprung hinein in den Zielhang. Der Schweizer Didier Cuche, der Schwede Fredrik Nyberg sowie Aamodts Landsmann Lasse Kjus schieden hier, trotz glänzender Zwischenzeiten, gänzlich aus, den Österreichern Stephan Eberharter, Andreas Schifferer sowie Fritz Strobl kostete Tor Nummer 32 immerhin so viel Zeit, dass am Ende nur die Plätze zwei bis vier für sie übrig blieben, worüber sich vor allem Eberharter heftigst echauffierte. „Ich bin ungenügend informiert worden. Keiner hat mir gesagt, dass der Kurs dort so stark dreht“, schimpfte Österreichs silberne Gold-Hoffnung. Vielleicht hätte er einfach den großen Kjetil-Andre Aamodt fragen sollen.
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