: Revolutionsfieber im Reich der „Mafia“
Die Zentralafrikanische Republik schlittert nach Jahren der Krise in den Bürgerkrieg. Ein rebellierender General führt vom Tschad aus den bewaffneten Kampf. Die Kirche warnt: „Die Bevölkerung stürzt in ein beispielloses Elend“
BERLIN taz ■ Als sich das Krisenpräventionskomitee der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) Ende Januar in Libyen traf, standen zwei Länder auf der Tagesordnung: Simbabwe und die Zentralafrikanische Republik. Während Simbabwe weltweit Schlagzeilen macht, erlebt die Zentralafrikanische Republik derzeit ohne internationale Aufmerksamkeit den Beginn eines Krieges mit einer gefährlichen regionalen Dimension – ähnlich wie in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo.
Zentrale Figur ist Ange-Felix Patassé, Präsident der Zentralafrikanischen Republik seit 1993. Er ist der erste frei gewählte Staatschef des Landes und hat mit UN-Hilfe mehrere Meutereien der von seinem Vorgänger André Kolingba geerbten Armee überstanden. Die letzte Meuterei im Mai 2001 überlebte er nur, weil Libyen sowie die im angrenzenden Teil des Kongo herrschende Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) Truppen in die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui entsandten.
Libyen hat seitdem in Bangui 200 Soldaten stehen. Seit dieser Woche sind auch 50 Soldaten aus Sudan in der Hauptstadt. Von diesem Umstand ist es nur ein kleiner Schritt zum Vorwurf, Patassé mache sein Land zum Hort von Islamisten, wenn nicht gar von al-Qaida. Eine in Kongo-Brazzaville basierte Exilgruppe beschuldigte Patassé kürzlich, die Zentralafrikanische Republik zu „einem Stützpunkt des internationalen Terrorismus“ gemacht zu haben. „Das Land ist in einem Zustand der Staatenlosigkeit“, so die „Gruppe von Brazzaville“. Dies ermögliche mafiösen Gruppen Geldwäsche in Kollaboration mit Patassé, dessen Umfeld die Rohstoffe des Landes ausplündere.
Wahr daran ist, dass von einem organisierten Staatswesen in der Zentralafrikanischen Republik keine Rede sein kann. Das riesige, dünn besiedelte Land steckt voller Diamanten, Mineralien, Tropenholz und fruchtbarem Land, aber diese Ressourcen werden seit der Kolonialzeit von Staatsfirmen zum Nutzen einer Elite verwaltet, ohne Beachtung der mittlerweile drei Millionen Einwohner. In weiten Teilen des Landes ist rechtsstaatliche Ordnung unbekannt, es herrschen konzessionierte Privatunternehmer und Staatsvertreter ohne Kontrolle.
Das ähnelt dem einstigen Zaire unter Diktator Mobutu. Mitte Januar sagte der zentralafrikanische Parlamentspräsident Luc Appolinaire Dondon Konamabaye, die Staatsfinanzen stünden „unter der Fuchtel einer Mafiabande“. Die katholischen Bischöfe des Landes erklärten: „Die Bevölkerung in allen Landesteilen stürzt unablässig in ein beispielloses Elend. Ihr Kaffee, ihre Baumwolle und ihr Tabak finden keine Abnehmer. Wir erleben die Verarmung einer ganzen Nation und die Entstehung von Wut unter Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben.“ Die französische Menschenrechtsorganisation FIDH (Internationaler Bund für Menschenrechte) schrieb im Februar, in der Zentralafrikanischen Republik herrsche „völlige Straflosigkeit“.
Seit einigen Monaten wird Patassé nicht mehr nur mit Worten angegriffen. Im Norden des Landes, Heimatregion des Präsidenten, ist eine bewaffnete Rebellion entstanden. Geleitet wird sie vom früheren Armeechef Francois Bozizé, der nach einem Verhaftungsversuch ins Nachbarland Tschad floh und seit November am Rande der südtschadischen Stadt Sarh lebt. Er genießt politisches Asyl und ist nach tschadischen Angaben von 300 gut bezahlten Kämpfern umgeben. Sie sollen mehrfach die Grenze überschritten haben.
Im Gegenzug hat Patassé den ehemaligen tschadischen Rebellenoberst Abdoulaye Miskine in seine Armee aufgenommen. Er leitete zu Jahresbeginn einen Angriff auf den Tschad. Eine Destabilisierung des südlichen Tschad wäre folgenreich, denn dort erschließen internationale Konzerne zurzeit eines der größten Ölfelder Afrikas. Eine französische Wachfirma schützt den Bau einer Pipeline, die Tschads Öl über Kamerun an den Atlantik bringen soll. Tschad ist ein traditioneller Afrika-Stützpunkt der französischen Armee.
Ob auch Bozizé von Frankreich unterstützt wird, ist nicht klar. Zunächst führt Bozizés Rebellion zum Zerfall der zentralafrikanischen Staatsgewalt. Mehrere Provinzverbände von Patassés Partei MLPC (Befreiungsbewegung des Zentralafrikanischen Volkes) haben sich von der Regierung losgesagt und den bewaffneten Kampf ausgerufen. So ist Staatsvertretern seit Jahresbeginn offiziell der Zutritt zur Region Ouham um die Stadt Bossangoa verboten. In der Gegend zwischen Bossangoa und der Grenze zum Tschad wurden sämtliche Staatsvertreter verjagt. Die Tageszeitung Le Citoyen in Bangui berichtete am 12. Februar aus dieser Gegend: „Die Getreuen des Generals Bozizé haben Vandalismus, Zerstörungen und Plünderungen begangen. Aber sie waren nicht allein. Auch die Einheimischen haben öffentliche Gebäude verwüstet, vor allem die Gendarmerie, den Zoll, die Polizei, die Rathäuser.“
Um die Politiker seines Landes wieder zu versöhnen, berief Patassé diese Woche einen „nationalen Dialog“ unter UN-Ägide ein. Er endete am Dienstag ohne Ergebnis. Die Regierung zählt auf ihre Freunde Libyen und Sudan – ihre militanten Gegner reden vom „revolutionären Kampf“. DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen