Bush an der Grenze zum Bösen

Der US-Präsident erklärt in Seoul, die USA hätten „keine Absicht, in Nordkorea einzumarschieren“

BERLIN taz ■ US-Präsident George W. Bush scheint weiterhin bemüht, sich seinem Vorbild Ronald Reagan anzunähern. Ähnlich wie Reagan, der 1987 die Berliner Mauer am Brandenburger Tor als Kulisse nutzte, um die Öffnung der Grenzen zu fordern, ließ sich Bush gestern am südkoreanischen Kontrollposten Quellette fernsehträchtig vor einer durch die Grenze unterbrochenen Eisenbahnlinie ablichten und appellierte dort an Nordkorea, mehr Austausch mit dem Süden zuzulassen.

Auch um sich gegen die Kritik an seiner Formel von einer „Achse des Bösen“ zu wehren, bezog sich der Präsident auf sein Vorbild Reagan. Ende Januar hatte Bush in einer Rede vor dem US-Kongress neben dem Irak auch Iran und Nordkorea in diese vermeintliche Allianz von Terrorstaaten eingereiht. Nach einem Treffen mit Südkoreas Präsident Kim Dea Jung versuchte George W. Bush seine Gastgeber zu beruhigen: schließlich habe auch Reagan die Sowjetunion zunächst als „Reich des Bösen“ bezeichnet, nur um anschließend Gespräche mit Michael Gorbatschow aufzunehmen.

„Wir haben keine Absicht, in Nordkorea einzumarschieren“, versicherte der Präsident gestern ausdrücklich, dessen kriegerische Rhetorik in Südkorea zuvor auf große Kritik gestoßen war. Eine grundsätzliche Wende Bushs stellt diese Klarstellung aber nicht dar. Denn von einer Invasion Nordkoreas war auch nach den rhetorischen Angriffen Bushs nie die Rede – ganz im Gegensatz zu den unverhohlenen Drohungen von US-Regierungsmitgliedern gegen den Irak.

Dennoch rechnet Bush Nordkorea weiterhin zur „Achse des Bösen“. „Um die Menschen in dieser Region und unsere Freunde und Verbündeten in jeder Region zu schützen“, so hatte Bush Anfang der Woche vor dem japanischen Parlament in Tokio klar gemacht, „werden wir ein effektives Programm zur Raketenabwehr vorantreiben.“ Nordkorea wird als Feind gebraucht, denn seine Raketenrüstung dient als Hauptargumet für die Forcierung des US-Raketenabwehrprogramms. ERIC CHAUVISTRÉ