piwik no script img

Eine Spende ersetzt das Schächten

Die rund 200.000 Muslime in Berlin feiern ab heute das viertägige islamische Opferfest. Schächtungen sind den Gläubigen hier aber verboten. Viele Türken überweisen daher Geld für eine rituelle Schlachtung in der Heimat

Aydin Özsoy vom Verein der Türkischen Minderheit gehört zu den über 200.000 Muslimen in Berlin. Heute beginnt für sie eines der wichtigsten religiösen Feste der islamischen Welt. Doch das viertägige Opferfest „Kurban Bayrami“ hat Aydin Öszoy in Deutschland noch nie nach strengen Traditionen gefeiert. „Feiern dürfen“ müsste es wohl korrekt heißen. Denn das Schlachten eines unbetäubten Tieres als wesentlicher Teil des Festes ist grundsätzlich verboten. Ausnahmeregelungen sind nur nach entsprechenden Anträgen möglich, die in Berlin bisher nicht gestellt wurden. Lediglich ein muslimischer Metzger aus Hessen hatte sich im Januar eine Genehmigung vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten.

Seit über 30 Jahren lebt Aydin Özsoy in der Bundesrepublik, doch die rituelle Schlachtung eines unbetäubten Tieres hat er bisher nur in der Türkei miterlebt. „Und selbst dort ist das Schächten nicht unumstritten“, erklärt Özsoy. In den türkischen Medien gebe es immer wieder kritische Berichte darüber, dass Schächtungen in freier Natur vorgenommen würden. Auch türkische Behörden wachen über die Einhaltung von Hygienestandards und kontrollieren, ob das Schächten von speziell ausgebildeten Metzgern vorgenommen wird.

Wegen des grundsätzlichen Verbots des Schächtens von Tieren in Deutschland stecken die muslimischen Berliner in einer Zwickmühle zwischen deutschen Gesetzen und den Traditionen ihrer Religion. Viele von ihnen bedienen sich eines einfachen Tricks: sie überweisen Geld an Verwandte in der Türkei, die ihrerseits die Schächtung vornehmen lassen. „Im Mittelpunkt des Opferfestes steht das Teilen, und in der Türkei hat man einfach mehr Möglichkeiten, mit wirklich Armen zu teilen“, freut sich Aydin Öszoy über diesen Nebeneffekt. Er legt auch Wert darauf zu unterscheiden: sein Verein, die Türkische Minderheit, ist weltlich orientiert. Das Opfern sei deshalb nur für diejenigen Muslime eine Verpflichtung, die auch an der Haddsch, der Pilgerfahrt nach Mekka, teilnehmen. „Mir geht es vor allem um das Zusammensein mit der Familie.“

Das Opferfest ist ebenso wie der Fastenmonat Ramadan einer der wichtigsten religiösen Höhepunkte der islamischen Welt. Die Feiern erinnern an die Geschichte des Propheten Abraham. Dieser wurde von einem Engel aufgefordert, seinen Sohn Ismael zu töten. Obwohl sein Gottvertrauen damit auf eine harte Probe gestellt wurde, griff Abraham zum Messer, um seinen Sohn umzubringen. Doch plötzlich sprach eine Stimme zu ihm: „Töte deinen Sohn nicht!“. Gott hatte Abrahams Opferwilligkeit als Tat angenommen. Gemeinsam mit seinem Sohn opferte er deshalb einen Widder, dessen Fleisch er mit Verwandten, Freunden und Bedürftigen teilte. Zur Erinnerung an die Rettung Ismaels schlachten daher Muslime jährlich ein Tier. AVI/RÜS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen