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Ein Felsen feiert sich

Helgoland: Vor 50 Jahren begannen Wiederbesiedlung und Aufstieg zum Touristenziel  ■ Von Rüdiger Ewald

Vor 50 Jahren war Helgoland ein verwüsteter roter Felsen in der Nordsee. Heute ist die einzige deutsche Hochseeinsel Touristenattraktion und Einkaufsparadies. Am 1. März feiern die knapp 1600 Einwohner gemeinsam mit Bundespräsident Johannes Rau und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) den 50. Jahrestag der Freigabe der Insel für die Wiederbesiedlung.

1807 war der Buntsandsteinfelsen von englischem Militär besetzt worden, 1890 kam Helgoland zum Deutschen Reich im Tausch mit der ostafrikanischen Insel Sansibar. Aus der Zeit der Engländer behielten die Helgoländer die Zollfreiheit – und davon profitieren sie noch heute.

Helgoland blieb bis 1914 Erholungsgebiet, rund 30.000 Menschen im Jahr genossen bereits damals die saubere, pollenarme und jodhaltige Luft und das saubere Wasser rund um den roten Felsen. Unter dem Nazi-Regime wurde die Insel wieder militärisch ausgebaut; schwere Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg waren die Folge. Die damals rund 2600 Helgoländer mussten ihre Heimat verlassen. Am 18. April 1947 versuchten die Briten mit knapp 7000 Tonnen Munition erfolglos, die Insel zu sprengen. Sie diente dann als Übungsziel für britische Bomberpiloten und wurde schwer verwüstet.

Zahlreiche Proteste und Inselbesetzungen führten schließlich dazu, dass sie Insel am 1. März 1952 wieder für ihre Bewohner freigegeben wurde.

Binnen eines Jahrzehnts gelang es den Helgoländern, ihre völlig zerstörte Insel wieder bewohnbar zu machen. Ein Konzept für die Ortsansiedlung sorgte dafür, dass auch heute die Inselbebauung einheitlich im strengen Baustil der späten 50er und frühen 60er Jahre dasteht.

Für die meisten Besucher der einzigen deutschen Felseninsel ist das eher nebensächlich: Sie werden im Sommer mit Ausflugsbooten und inzwischen auch mit Schnell-Katamaranen auf die Insel gebracht. Wer nicht mit dem Katamaran kommt, muss vor der Insel in kleine, oft offene Boote umsteigen. Diese Börte-Boote bringen die Gäste dann zur Landungsbrücke, für Landratten ist dies nicht immer ein Vergnügen.

Im Sommer ziehen schon einmal bis zu 10.000 Menschen am Tag über die Insel. In den Einkaufsstraßen lockt das Zauberwort Duty-Free. Doch die Wirklichkeit wird dem Klischee vom „Fuselfelsen“ längst nicht mehr gerecht. Rechtlich ist die Insel EU-Ausland, Zoll- und Mehrwertsteuer sind hier kein Thema, weder Tabak- noch Branntweinsteuer stören das Kaufvergnügen. Lediglich die Gemeinde Helgoland hält die Hand mit einer eigenen Gemeindeeinfuhrsteuer auf.

Die Einwohnerzahl auf der Insel geht jährlich um etwa 30 zurück, berichtet Bürgermeister Frank Botter (SPD). 250 Kinder bis 18 Jahre leben hier und können bis zum Realschulabschluss bleiben. Damit sie bleiben, müsse die Gemeinde ihnen Perspektiven bieten, meint er. Doch dies ist schwierig, weil die Zahl der angebotenen Berufe und Möglichkeiten für eine Berufsausbildung gering ist.

Noch andere Probleme bewegen die 13 Gemeindevertreter. Da geht es zunächst darum, sich im Tourismus zu behaupten. Mit 300.000 Übernachtungen hat Helgoland in den vergangenen Jahren seine Zahlen halten können, während andere Urlaubsorte an der Küste Rückgänge hinnehmen mussten. Diskutiert werden Angebote für Kreuzfahrten rund um die Insel. Auch die Hochseesegler hätten die Insel noch nicht als ideales Revier entdeckt, heißt es bei den Tourismusfachleuten.

Ein Paradies für Ruhe suchende Urlauber soll Helgoland jedoch bleiben. Gerade einmal 120 Fahrzeuge, fast alle mit Elektroantrieb, rollen über die wenigen Straßen. Lediglich das Feuerwehrauto und der Krankenwagen werden mit einem Verbrennungsmotor angetrieben und sorgen für ungewohnte Geräusche. Autofrei sei ein Erholungsfaktor, sagen die Helgoländer und schieben ihre Handwagen durch die Straßen.

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