: Künstler sammeln
■ Von der Kreisklasse in die Bundesliga hat der Ex-Rektor die Hochschule für Künste geführt / Ein Gespräch
Heute ist sein letzter Tag als Rektor: Professor Jürgen Waller (63) stand zwölfeinhalb Jahren an der Spitze der Hochschule für Künste. Im Gespräch mit der taz blickt er zurück auf die Anfänge der Hochschule und die Startschwierigkeiten von Künstlern in Bremen, die im Zweifel unter Brücken schlafen müssen.
taz: Herr Waller, gehen Sie eigentlich gern, jetzt nach zwölf Jahren Rektorat?
Jürgen Waller: Ich hab es ja nun freiwillig gemacht. Letztes Jahr hat man festgestellt, dass ich ein koronares Herzproblem habe. Einen meiner beiden Berufe sollte ich aufgeben. Ich gehe ja nicht in Pension, sondern gebe nur das Rektorat auf, die ganze Administration, die immer schlimmer geworden ist. Als Künstler arbeite ich weiter.
Zwölf Jahre sind eine lange Zeit. Fällt Ihnen der Abschied gar nicht schwer?
Ja klar, man weiß ja auch, wofür man seine Gesundheit gelassen hat. Als ich den Laden übernommen hatte, da spielte die Hochschule in der dritten Kreisklasse, und jetzt ist sie im oberen Drittel der Bundesliga. Ich hab schon dafür sorgen können, dass man die Hochschule kennt in der Republik, dass wir auf sehr vielen Gebieten konkurrenzfähig geworden sind. Aber man muss das auch lassen können.
Wenn sie auf die Zeit zurückblicken: Wo waren Fehler?
Fehler? Weiß ich nicht. Niederlagen? Ja. Was mich zum Beispiel schmerzt, ist, dass wir den Aufbaustudiengang Architektur verloren haben. Dafür haben wir es aber geschafft, dass der Fachbereich Musik, der 1989 nur fünf Professuren hatte, heute 30 hat. Und die beiden Schwerpunkte, Alte und Neue Musik, die laufen gut. Da kann Bremen stolz drauf sein.
Woran messen Sie denn diese Erfolge?
An den Bewerberzahlen. 40 Prozent kommen aus Bremen. Viele aus dem Ausland. Und natürlich an den Preisen, die wir mittlerweile einheimsen. Gerade in unserem Designbereich sind wir die Hochschule überhaupt in der Republik. Die Freie Kunst kommt auch – aber langsam. Die Politik fragt auch immer nach Erfolgen. Aber so schnell geht das bei uns nicht. Wir haben vor zehn Jahren investiert, und die ersten Erfolge kommen jetzt.
Sie haben jetzt 900 Studierende, wie viele waren das am Anfang?
Die Hälfte. Heute haben wir zwei Fachbereiche. Aber was ich möchte, ist mehr Transparenz zwischen den einzelnen Studiengängen. Also zwischen Freier Kunst und Design. Und nicht: Hier ist der Designer und der macht nur Design. Das soll sich mischen.
Sie bleiben der Hochschule also noch erhalten?
Ich will mal so sagen: ein bisschen. Ich hab natürlich keine Klasse mehr. Aber ich will ein Institut für konstruktive Kunst und Design gründen. Auch um den Studiengang Digitale Mediengestaltung will ich mich kümmern, dafür sorgen, dass die Studenten nicht nur vor dem Bildschirm sitzen, sondern sich auch die Finger dreckig machen, das heißt: zeichnen mit Kohle oder Farbe. Die wollen ja schließlich nicht ihr ganzes Leben mit dem Rechner Websites gestalten, sondern auch Kunst machen.
Sie haben vor Jahren gesagt, dass jeder richtiger Künstler einmal unter Brücken geschlafen haben muss. Mussten Sie das auch?
Ja. Ich weiß nicht, wie oft. Aber ich konnte ja niemanden für mein Scheitern verantwortlich machen. Viele Künstler denken immer, der Staat hätte die Verantwortung, ihnen die Bilder abzukaufen. Aber das geht so nicht. Zehn oder zwölf Jahre habe ich gar nichts verkauft. Das passiert nun mal, und es hat mir nicht geschadet.
Ein schwacher Trost für Ihre Studenten.
Aus jeder studentischen Generation – das war vor hundert Jahren so, und das ist heute so – schaffen es immer nur ein bis zwei Prozent. Es ist doch so: Jedes Jahr werden bundesweit zwischen 4.000 und 5.000 Studenten ins Künstlerleben entlassen. Und wir haben nach wie vor 200 Sammler und 200 Galerien. Jeder weiß das, wenn er anfängt zu studieren.
Deshalb brechen so viele ihre Studium ab.
Ich sag dann immer, seid doch froh darüber. Wenn ich denen während des Studiums klar machen kann, dass sie sich vertan haben mit der Kunst, dann ist das doch gut. Was nutzt, wenn ich hinterher noch einen unglücklichen Künstler mehr habe.
Haben es Künstler heute schwerer?
Die haben es immer schwer. Heute braucht zwar jedes Bundesland seine Kunsthochschule. Aber in Bremen gibt es keine einzige Galerie. Frau Rabus macht keine Messen mehr. Es passiert hier nichts. Es ist Diaspora. Das ist eben so im calvinistischen Norden.
Der Bundesverband Bildender Künstler fordert anderes: Die Stärkung eines regionalen Kunstmarktes. Eine Stadt, die eine Kunsthochschule betreibt, müsse auch für die Schaffung einer weiterführenden Infrastruktur verantwortlich sein.
Ja, aber wie? Andere Bundesländer haben einen Ankaufsetat, und Bremen nicht. Aber ein Ankaufsetat löst das Problem auch nicht. Was soll das Land denn machen, damit sich hier Sammler ansiedeln? Wir hatten einen einzigen, der ist leider gestorben, aber der kann auch nicht 400 Bremer Künstler sammeln. Die paar, die es noch gibt, sammeln aber auch nur im eingeschränkten Maße.
Hat sich die Studentengeneration eigentlich geändert?
Nö. Die ist nicht schlechter, oder auch nicht fauler geworden. Aber die Einstellung hat sich geändert. Wir hatten jetzt einen Werbecrack zum Vortrag eingeladen, der macht die Corporate Identity für Telekom. Vor zehn Jahren hätten die Studenten den nach dem dritten Satz aus dem Fenster gescheucht. Heute wollen sie Rezepte von ihm hören. Das heißt, die Distance zu dem Kapitalismus, nennen wir es so, ist total zusammengebrochen. Reflektieren von Ausbeutung oder so was, das haben die heute nicht mehr im Hinterkopf.
Fragen: Dorothee Krumpipe
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