: Das Kosovo hat eine neue Regierung
Verfeindete Albanerparteien bilden große Koalition. Nachfolgerin der aufgelösten UÇK stellt Premierminister
PRIŠTINA taz ■ Monatelange Verhandlungen im Kosovo fanden gestern ihr glückliches Ende. Kosovo hat zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Regierung, die aus freien Wahlen hervorgegangen ist. Sie wird aus Vertretern der im letzten November ins Parlament gewählten drei albanischen Parteien gebildet, ein Ministerposten wird für die serbische Minderheit offen gelassen.
Präsident des seit der Nato-Intervention vom Sommer 1999 von der UN-Mission im Kosovo (Unmik) allein verwalteten ehemaligen serbischen Provinz wird Ibrahim Rugova, Vorsitzender der größten Partei, der „Demokratischen Liga Kosova“. Premierminister wird mit dem Arzt Bajram Rexhepi ein führendes Mitglied der „Demokratischen Partei Kosova“, der zweitgrößten Partei und Nachfolgerin der aufgelösten Befreiungsarmee UÇK.
Architekt der neuen Regierung ist der vor kurzem auf diesen Posten berufene Chef der UN-Mission, der deutsche Diplomat Michael Steiner. Ihm ist es in wenigen Tagen gelungen, die verfeindeten Parteien der Albaner zu einem Kompromiss zu bewegen. Er überzeugte den Chef der Demokratischen Partei und Exchef der UÇK, Hashim Thaçi, auf den Posten des Premiers zu verzichten und damit den Weg freizumachen für die große Koalition, zu der auch noch die Partei des Ex-UÇK-Kommandanten Ramush Harandinaj gehört.
Für Ibrahim Rugova, früherer Präsident des ehemaligen albanischen Schattenstaats, ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Sichtlich erleichtert präsentierte sich Rugova der Öffentlichkeit. Ab nun wird er Präsident aller Kosovaren, auch der Serben und der anderen Minderheiten sein.
Rugova versprach während der Wahlkampagne, alles zu tun, um die ethnischen Konflikte im Kosovo abzumildern. Doch die Meinungen sind geteilt, ob der Kompromiss für die Partei vorteilhaft ist. Als Präsident ist scheidet Rugova aus der täglichen Politik aus. Ein Nachfolger an der Spitze der Partei ist nicht in Sicht. Zudem liegt das künftige Machtzentrum beim Premier und nicht beim Präsidenten, befürchten die parteiinternen Kritiker. Die politischen Fäden liefen dann doch bei der Thaçi-Partei zusammen, nicht aber bei der LDK. Die stärkste Partei des Landes habe an Einfluss verloren. Vertreter der UN-Mission und anderer internationaler Organisationen weisen jedoch darauf hin, dass mit Bajram Rexhepi, dem Bürgermeister des albanischen Teils der zwischen Serben und Albanern aufgeteilten Stadt Mitrovica, ein Mann gefunden wurde, der einen eigenen Kopf habe und der sich in seinem bisherigen Amt kompromissbereit gezeigt habe. Zudem habe die Regierung nur eine eingeschränkte Macht, die UN-Mission werde weiter in der Frage des Budgets, der Sicherheits- und Außenpolitik sowie des Justizsystems das entscheidende Wort sprechen.
Unabhängige Intellektuelle und Journalisten wie Veton Suroi, Chefredakteur der größten Zeitung, Koha Ditore, sehen in der Regierungsbildung dennoch einen ersten Schritt für die eigenständige Institutionenbildung im Kosovo. Sie weisen aber darauf hin, dass die Rugova-Partei sich spalten werde. Es kursieren Gerüchte, wonach um die 10 Abgeordnete der Partei zum innerparteilichen Gegner Rugovas, Bujar Bukoshi, überlaufen werden, der die Gründung einer neuen liberal-demokratischen Partei angekündigt hat. Der UN-Mission passt eine solche Abspaltung ins Konzept. Gäbe es eine albanische Oppositionspartei, bestünde die Opposition im Parlament nicht nur aus den ethnischen Minderheiten. Bisher wird sie lediglich aus der serbischen Koalition „Rückkehr“ und anderen nationalen Minderheiten gebildet, die zusammen fast ein Drittel der Abgeordneten stellen. ERICH RATHFELDER
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