: Geld weg, Ofen aus, Krematorium zu
Das Treptower Krematorium ist außer Betrieb: Zwei der drei Einäscherungsöfen sind defekt, ihre Innenmauern eingestürzt. Jetzt streiten Baufirma und Bezirksamt über die Reparaturkosten. Auch das Krematorium im Wedding, die unrentabelste Anlage der Stadt, soll trotz teuerer Vollsanierung schließen
von THILO KUNZEMANN
Der Sand in den Gebetsnischen des Krematoriums soll das Vergehen aller Dinge symbolisieren. „Er steht für Neubauten, die zu Staub zerfallen“ erklärt ein Angestellter arglos. Als Stararchitekt Axel Schulte 1992 seinen preisgekrönten Entwurf vorstellte, konnte er nicht ahnen, wie genau dieses Detail zehn Jahre später den Zustand des rund 30 Millionen Euro teuren Prunkbaus beschreiben würde. Das Treptower Krematorium am Baumschulenweg wurde zum Millionengrab.
Nichts geht mehr. Zwei der drei Einäscherungsöfen sind kaputt. Ihre Innenmauern seien eingestürzt, sagt Michael Schneider, Stadtrat des Bezirks Treptow-Köpenick. „Das ist, als ob daheim der Kachelofen zusammenfällt.“ Der dritte Ofen beheizt nur noch die öffentlichen Räume des Hauses. „Wir wissen nicht, ob er den Belastungen standhalten würde“, sagt Schneider. Seit fast drei Monaten werde das Gebäude nur für Trauerfeiern genutzt, bestätigten Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung.
Ab nächster Woche sollen die Reparaturen beginnen, sagt Schneider. Die Ausschreibung des Auftrags sei bereits abgeschlossen. Mitte Mai, glaubt er, werden die Öfen in Treptow wieder beheizt. Noch ist aber strittig, ob der Bauträger, die Bilfinger&Berger AG, oder das Bezirksamt für die Schäden aufkommen muss. Zwar sei die zweijährige Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen, sagt Schneider, doch müsse die Firma und ihr Subunternehmer, die süddeutsche ISZW GmbH, bei Material- oder Baufehlern trotzdem haften. Zwei Gutachter werden die Arbeiten überwachen, um festzustellen, wer für den Schaden verantwortlich ist.
Der Streit um Baumängel des erst 1999 erbauten Krematoriums währt allerdings schon länger. Bereits bei Bauabnahme tropfte Wasser durchs Dach. Die Inbetriebnahme musste um ein Jahr verschoben werden. Der damalige Treptower Baustadtrat Dieter Schmitz (SPD) forderte rund drei Millionen Euro für den Verdienstausfall und als Vertragsstrafe von Bilfinger&Berger. Der Gerichtsprozess endete mit einem Vergleich. Später zersprang eines der riesigen Panoramafenster, angeblich auch wegen schlechter Materialqualität.
Mit Vermessungspunkten am Fenster prüfe man derzeit die Ursachen der heutigen Misere, sagt Schneider. Erst in diesem Winter sprengte der Frost Teile der Steinplatten vor dem Hinterausgang. Bilfinger&Berger übernahm die Sanierungskosten diesmal ohne Prozess. Ein Bauzaun versperrt jetzt den Zugang zur hinteren Fassade, Dämmmatten liegen herum.
Und die nächsten Probleme sind bereits abzusehen: Erste Risse ziehen durch die Sockel des Fundaments. An den Außenkanten des Gebäudes platzt der Beton ab. An manchen Stellen im Innenraum bröselt er bei bloßer Berührung ab. Ein „ungeheuerer ideeller Schaden“ sei dem Bezirk und der Stadt hier entstanden, sagt Stadtrat Schneider.
Noch überweist das Bezirksamt Treptow-Köpenick die jährliche Leasingraten von 2,14 Millionen Euro an den Eigentümer, die VR Leasing AG aus Eschborn. Erst nach 30 Jahren gehört das Krematorium dem Bezirk. Die Anwälte seiner Verwaltung müssten nun aber klären, wie angesichts des Verdienstausfalls weiter verfahren werde, sagt Schneider. Ein Großteil der Verbrennungen finden derzeit im Krematorium Wedding statt. Nachdem alle drei Öfen – entgegen einer Senatsempfehlung – vergangenes Jahr für 3,6 Millionen Euro saniert wurden, stieg die Auslastung auf rund 1.000 Einäscherungen pro Monat. Spätestens Ende des Jahres aber sollen auch diese Öfen ausgehen.
Denn seit Mitte 2001 werden die Verluste der Krematorien nicht mehr durch das Land Berlin ausgeglichen, sondern belasten die Budgets der Bezirke. Da die Stadtplaner Anfang der 90- Jahre noch mit einer zukünftigen Einwohnerzahl von fünf bis sechs Millionen Menschen rechneten, sei die Stadt heute mit drei Krematorien überversorgt, sagt Dorothee Dubrau (Grüne), Stadträtin für Stadtentwicklung im Wedding. Als dann Mitte der 90-Jahre die Pflicht aufgehoben wurde, Berliner in Berlin zu bestatten, seien auch noch viele Beerdigungsunternehmer zu den günstigeren Anbietern im Umland abgewandert.
Doch auch wenn die unrentabelste Berliner Anlage im Wedding geschlossen wird, belastet sie den Bezirkshaushalt noch bis Ende 2003. „Die Rechnungen sind noch nicht bezahlt“, sagt Dubrau. Die Entscheidung zur Sanierung sei noch von den alten Weddinger Stadträten vor der Fusion mit den Bezirken Mitte und Tiergarten getroffen wurde.
Der Verband deutscher Bestattungsunternehmer spricht von Steuerverschwendung in Millionenhöhe und fordert die Bestrafung der Beteiligten. Schon in der Planungsphase, bestätigt Dubrau, sei absehbar gewesen, dass die Öfen nicht rentabel zu betreiben seien. Pro Jahr fehlten nun 1,6 Millionen Euro unter anderem für den Unterhalt von Schulen und Kinderspielplätzen.
Auf der Bezirksverordnetenversammlung am 18.April wird nun über das Schicksal des ältesten Berliner Krematoriums entschieden. „Das Ende ist aber abzusehen“, sagt Dubrau. Der Treptower Stadtrat Schneider hofft noch auf ein Treffen der Verwaltungsleiter Anfang März. „Es wäre logisch, jetzt einen Landesbetrieb zu gründen, der alle drei Krematorien verwaltet.“ So könnten die Häuser wirtschaftlicher betrieben werden. Die Idee ist nicht neu. Bisher scheiterte sie aber am Widerstand der Bezirksverordneten. Zumindest für das Krematorium im Wedding hieße das wohl: Asche zu Asche, Staub zu Staub.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen