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Tatort Apfelbaum

Baumklau in Berlin. In einer Spandauer Kleingartenkolonie verschwinden Anfang Februar drei Obstbäume. Bezirksamt und Polizei wollen seitdem wissen: Wer war’s? Und wo sind die Bäume?

von MARIJA LATKOVIC

Vielleicht war es Mitternacht. Vielleicht auch früher. So genau kann das keiner sagen. Schließlich hat ihn niemand gesehen. Unbeobachtet macht er sich ans Werk – der Dieb vom Niederheideweg. Drei Obstbäume stiehlt er in dieser Nacht von der Streuobstwiese neben der Kleingartenkolonie. Seitdem fragen sich das Bezirksamt Spandau, die ansässigen Kleingärtner und die zuständige Polizeidirektion 2: Wer kommt bloß auf die Idee, Bäume zu klauen?

Im vergangenen Jahr pflanzte das Bezirksamt 26 junge Obstbäume auf die Wiese, „als Geschenk an den Förderverein für das Kleingartenwesen“, sagt Referent Patrick Sellerie. Die Vereinsmitglieder, ebenjene beschenkten 26 Pächter in der Kleingartenkolonie, übernahmen die Patenschaft für die 10 Hauszwetschgen- und 16 Apfelbäume, die fünf verschiedene Sorten tragen sollten. Nun fehlen drei Apfelbäume der Sorten Malus Alkmene und Malus Sternrette.

„Gute Sorten sind das“, sagt Jürgen Röske. Deshalb glaubt der Revierleiter, der Täter müsse seine Opfer gekannt haben. Jemand zum Beispiel, der weiß, dass „Alkmene“ ein sehr aromatischer Apfel ist: süßfruchtig und erfrischend sauer. Vielleicht handelt es sich um einen Hobbybäcker, wird gemutmaßt. Denn „Alkmene“ ist ein hervorragender Backapfel. „Ein Verrückter oder ein Scherzkeks“, rätselt Sellerie. Schließlich sei die Wiese für jeden zugänglich.

Der Delinquent, ist sich Röske sicher, wählte bewusst die kalte Jahreszeit – wenn alle Pächter zu Hause sind. Deshalb war es auch nicht einer von ihnen, sondern der Revierleiter, der bei seinem wöchentlichen Kontrollgang am 6. Februar die Erdlöcher entdeckte. Die Polizei untersuchte den Tatort, fand aber keine Spuren. „Ganze Arbeit hat er geleistet“, sagt Röske und meint damit nicht den zuständigen Beamten. Mitsamt den Wurzeln hat der Täter die Bäume ausgehoben. Womöglich sei er mit Schaufel und Schubkarre gekommen. Wildbissschutz, Baumpfähle und Kokosstränge, die die Bäume stützen sollten, nahm er auch gleich mit. Was bleibt, sind die drei Löcher am Wegrand – jeweils 40 Zentimeter tief.

Auf die Polizei will er sich in der Zwischenzeit nicht verlassen. Also sucht er selbst nach dem Dieb, schaut sich in den umliegenden Kleingärten nach jungen Apfelbäumen um. Einer der Kleingärtner? „Vielleicht“, sagt Röske. „Aber kein dummer.“ Sollte es tatsächlich einer der Pächter gewesen sein, war er klug genug, das Schild mit der Aufschrift „Förderverein für das Kleingartenwesen“ zu entfernen.

Der Revierleiter hat längst aufgegeben. Auch die Amtsanwaltschaft hat das Verfahren bis auf weiteres eingestellt. Nicht einmal ein Verdächtiger wurde ermittelt. Nur die Mitarbeiter des Bezirksamtes hoffen noch, die Bäume könnten wieder auftauchen. Sie warten weiter auf Zeugen der Tat. „Immerhin wurden die gestohlenen Bäume mit Bezirksmitteln finanziert“, sagt Sellerie. „Neue Bäume können wir uns in diesem Jahr einfach nicht leisten.“ Die Kosten pro Baum liegen schließlich bei 22,50 Euro.

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