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Kesses Girlie für Don Pasquale

■ Die ewig alte Opern-Leier: Oberspielleiterin Jasmin Solfaghari fehlte der Mut, eigenwillig gegen den Strich zu bürsten

Ist aus „Don Pasquale“ nichts anderes herauszuholen als ein gefälliges, mäßig unterhaltsames Histörchen? Gaetano Donizettis komische Oper erzählt – in Anlehnung an die Figuren der „Commedia dell arte“ – vom betagten Junggesellen, der die Heirats- und Erbschaftspläne seines Neffen durchkreuzt, indem er selber heiratet. Aber die blutjunge Schönheit, die ihm sein Arzt Doktor Malatesta zuführt, ist in Wirklichkeit die Geliebte des Neffen. Sie nervt den Alten so lange, bis er nicht nur in die Scheidung einwilligt, sondern dem Neffen die ersehnte Liaison gestattet. Da wird die Intrige aufgedeckt und alles kommt zum guten Ende.

Was tun mit einer solchen Geschichte, die vor allem nach Mottenpulver riecht, und mit einer Oper, deren Musiksprache weitgehend illustrierend bleibt und nicht mehr von allein trägt? Hier wäre das turbulente Bühnenspiel gefragt, aber da bleibt die sonst einfallsreiche Oberspielleiterin Jasmin Solfaghari merkwürdig blass.

Luzia Gossmann hat auf der Drehbühne ein Haus gebaut, das durch eine nach oben offene Kuppel den Himmel hereinlässt, mal grau bewölkt, mal blau oder nachtbestirnt. Im Wechsel erscheinen die Räume des 70-jährigen Hausherrn Don Pasquale (Benno Remling), seines Neffen Ernesto (Christoph Wittmann) und der schönen Norina (Daniela Stuckstette). Alt- und Jungzimmer werden in Farbe und Dekoration dezent unterschieden. Ernesto, in Jeans und mit Sonnenbrille, ist ein Motorrad-Freak, Norina, mit ihrer Vorliebe für Rosatöne, ein kesses Girlie, und Don Pasquale? Hier konnte sich Jasmin Solfaghari offenbar für nichts richtig entscheiden: Ist er ein gefährlicher oder nur ein armer Alter? In Strickjacke und Hosenträgern wankt er meist zitternd wie ein Greis über die Bühne, dem man die Heiratspläne kaum abnehmen kann. Benno Remling macht das weder komisch noch mitleiderregend traurig. So wirkt diese Figur vor allem müde und gar nicht überzeugend.

Das ganze Stück drohte in sich zusammen zu fallen, wäre da nicht Daniela Stuckstette, die ihre Norina sängerisch und spielerisch mit einer Farbigkeit und Frische ausstattet, die den Muff der kreuzbraven Komödie immer wieder beiseite räumt. Das Städtische Orchester (Leitung: Hartmut Brüsch) brauchte lange, um sich warm zu spielen und zwischen leichtem Parlando und Tempo die Balance zu finden. Auch hier bleibt der Eindruck haften, diese Oper aus dem 19. Jahrhundert, die die Musik des 18. Jahrhunderts nachahmt und persifliert, hätte ihre Zeit hinter sich.

Wer „Don Pasquale“ für den gegenwärtigen Spielplan retten will, muss die Oper mutig und eigenwillig gegen den Strich bürsten. Jasmin Solfaghari gehört nicht zu den gewalttätigen Wilden unter den Regisseuren, ihre Stärke ist die einfühlsame Psychologie, aber auch die hatte sie hier offenbar ausgeschaltet: Ihr Don Pasquale kann zwar mit Rosen schmeißen und mit dem Gewehr fuchteln, aber er ist nie etwas anderes als ein „alter Esel“ und das langweilt.

Hans Happel

Gaetano Donizetti: „Don Pasquale“ – in deutscher Sprache – Stadttheater Bremerhaven (Großes Haus), Vorstellungen am 7., 9., 13., 15., 22. März sowie 2. und 6. April Tel.: 0421–49 001

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