: Penispumpen und anderes Sexspielzeug
Plötzlich finden sich in Schweden auch Migranten vor und hinter der Kamera: Josef Fares, ein „neuer Schwede“ libanesischer Abstammung, liefert mit „Jalla! Jalla!“ eine Komödie, die so harmlos und konventionell ist, dass es schon wieder subversiv wirkt. Die Utopie heißt schlicht Normalität
Zu viel Avantgarde ist gar nicht gut. In Dänemark etwa hat man letztens die Filmsprache revolutioniert, den schwedischen Problemfilmer Ingmar Bergman zum Halbgott erklärt und sich vorrangig mit Idioten oder Inzest beschäftigt. Das Publikum war mächtig stolz und wähnte sich kulturell endlich an der Spitze. Anschließend wählte es komische Parteien vom rechten Rand. Verdammte Cineasten! In unserer Reihe „Wir beleidigen kleine Nachbarvölker“ heute: die Dänen.
Schweden sind da anders. Eine neue Generation von Filmemachern ist ganz zufrieden damit, dass der alte Bergman nur noch Drehbücher für Liv Ullmann schreibt. Nach Jahren tief gründelnden Biedersinns werden ihre Filme leichter und bleiben dennoch hübsch am Boden. So finden sich plötzlich auch Migranten vor und hinter der Kamera. Mit beachtlichem Erfolg: Josef Fares, ein „neuer Schwede“ libanesischer Abstammung, landete mit „Jalla! Jalla!“ einen einheimischen Kassenschlager. Produziert wurde der Multikulti-Spaß von Lukas Moodyson, instinktsicherer Regisseur von „Fucking Amal“ und „Zusammen“.
Die Komödie ist so harmlos und konventionell, dass es schon wieder subversiv wirkt. Fremdenfeindlichkeit spielt keine Rolle. Stattdessen ist jeder froh, aus dem eigenen Saft rauszukommen. Fares Fares, der Bruder des Regisseurs, spielt Roro, ein Migrantenkind in Nöten. Der Parkreiniger hat eine schwedische Freundin, doch die traditionsbewussten Eltern wollen ihn mit einer jungen Libanesin verkuppeln. Weigert er sich, wird sie wieder in die Heimat geschickt. Und ihm droht der Zorn der Familie. Also beschließen die beiden, pro forma zu heiraten. Kein Integrationsproblemchen, das sich nicht irgendwie lösen ließe.
Viel schwerer hat es Roros Freund und Kollege Mans (Torkel Petersson). Das schwedische Mannsbild kämpft mit argen Potenzstörungen. Als williger Abnehmer von Penispumpen und S/M-Spielzeug wird er zum Stammgast in der „Sexbutik“. Schön ist die selbstverständliche Freundschaft der beiden, wirkungsvoll die Kombination von Sexkomödie und Migrantenfarce. Schwächelt die eine, macht die andere „Tempo!“ – auf Arabisch „Jalla!“. Das geht natürlich nicht ohne Klischees ab. Im Gegenteil: Wie in Hanif Kureishis britischen Paki-Komödien werden Eigen- und Fremdbilder gnadenlos zementiert. Roros Landsleute sind knauserige Feilscher oder gönnerhafte Widerlinge mit dickem Geldbeutel. Und westliche Zivilisationskrüppel eben impotent. Doch nie gerät Fares in Versuchung, die Kulturen gegeneinander auszuspielen. Als Roro den Jammer nicht mehr mitansehen kann, schickt er seinen Kumpel zu einem befreundeten Wunderheiler. Alte und neue Schweden halten „zusammen“.
Aus der Utopie der Normalität schöpft „Jalla! Jalla!“ ohne Weiteres die normative Kraft des Faktischen – mit viel Sympathie für die Figuren und einem sicheren Gespür für die Komik der Situation. Das etwas gefällige Thema Zwangsheirat, man ahnt es, ist da eher filmisches Stilmittel als Abbild von Realität. Was wäre ein Film über Migranten ohne turbulente Hochzeitsfeier? Dass es auch – ein wenig – ernsthafter geht, hat das junge schwedische Kino bereits bewiesen. Die Tragikomödie „Das neue Land“ von Geir Hansteen Jörgensen behandelte das Thema Abschiebung auf ganz ähnliche Weise. Weiterhin kein Grund also, die Schweden zu loben. Aber ihre Filme werden besser. PHILIPP BÜHLER
„Jalla! Jalla!“. Buch/Regie: Josef Fares; mit Fares Fares, Torkel Petersson u. a., Schweden 2000, 88 Min.
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