piwik no script img

Es war doch alles so schön bunt da!

„Die Woche“ als spätes Opfer der New Economy: Gemessen an ihrem publizistischen Ehrgeiz gab die Auflage der Zeitung seit Jahren Anlass zur Sorge. Der dramatische Einbruch im Anzeigenmarkt brachte das Fass zum Überlaufen

BERLIN taz ■ Optisch wie inhaltlich glich sie in ihren stärksten Ausgaben einer psychedelischen Zeit, in ihren schwächsten einem Stern auf billigerem Papier – „bunt“ war jedenfalls der dominierende Eindruck, stets belohnt mit dem Prestige-Preis „Europes’ Best Designed Newspaper“. Zwar war die Woche nie „Europes’ Best Informed Newspaper“, aber daran kann es auch nicht gelegen haben, dass sich das Blatt nun von seinen Lesern verabschiedet. Oder, präziser, von seinen Leserinnen.

Denn vor allem weibliche Kundschaft hielt der Woche neun Jahre lang die Treue. Gemessen am publizistischen Ehrgeiz der Zeitung gab die verkaufte Auflage – zuletzt 136.000 Exemplare – seit 1997 Anlass zur Sorge. Zumal nur ein Drittel davon an Abonnenten ging, etwas mehr als 20.000 Exemplare im Einzelverkauf abgesetzt werden konnten – und der beträchtliche Restposten bunten Papiers an Lesezirkel, Hotels und Fluglinien verteilt wurde. Unterm Strich soll auf diese Weise jährlich eine Million Euro Miese gemacht worden sein – pro Monat.

Bezahlt wurde der Spaß von Verleger Thomas Ganske (Jahreszeiten-Verlag, Hoffmann & Campe), der sein defizitäres Flaggschiff mit Gewinnen aus Heftchen wie Für Sie, Petra oder Feinschmecker finanzierte. Zähneknirschend, wie sein Geschäftsführer Kurt Breme in Hinblick auf die Redaktion im Gespräch mit der FAZ andeutete: „Wenn’s härter wird, müssen alle den Schirm aufspannen.“ Also auch Gründer und Herausgeber Manfred Bissinger, der nun verkünden musste, „eine Zeitung als Quadratur des Kreises“ sei „womöglich zu gewöhnungsbedürftig für den Markt“.

Vom Markt allerdings, vor allem von der Hausse im Neuen, hatte die Woche anzeigentechnisch lange profitiert. Und dies auch mit ebenso sinnfreien wie opulenten Doppelseiten, „designed“ von namhaften Werbeagenturen, gerne unterstrichen. Wer zwei Drittel seines Umsatzes über das dramatisch eingebrochene Werbe- und Anzeigengeschäft generiert, der muss als später Verlierer der Baisse in der New Economy gelten. Der Essener WAZ-Konzern hätte die Ruine wohl noch sanieren können. Aber nur, so die Bedingung, wenn Ganske seinen lukrativen Jahreszeiten-Verlag abgetreten hätte – der Deal platzte am Dienstag.

Elegant war das Blatt bis zuletzt, bis zum optischen Neustart vergangene Woche: Die Braut schminkte und puderte sich ein letztes Mal, bevor sie sich niederlegte zum Sterben. ARNO FRANK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen