VUSball mit Pfiff

Borussia Dortmund gewinnt gegen Mönchengladbach 3:1 und darf sich dafür beim Schiedsrichter bedanken

DORTMUND taz ■ Seit einigen Wochen lassen sich Bundesligaspiele folgendermaßen einteilen: in VUS – „Vor der umstrittenen Schiedsrichterentscheidung“ – und NUS – „Nach der umstrittenen Schiedsrichterentscheidung“. Auch das Spiel Borussia Dortmund gegen den Namensvetter aus Mönchengladbach war wieder eine solche VUS/NUS-Begegnung, übrigens die dritte des BVB in Folge.

Obwohl die Schwarz-Gelben sich ballsicherer und konzentrierter als zuletzt zeigten, der 3:1-Erfolg auch von Gäste-Trainer Hans Meyer „verdient“ geheißen wurde, gab es kaum einen Beobachter, der bestritt, dass ein mysteriöser Pfiff von Referee Peter Gagelmann die Partie entschied. In der 63. Spielminute, beim Stand von 1:1, war Dortmunds Brasilianer Marcio Amoroso nach einem Strafraum-Laufduell mit Marcel Witeczek zu Boden gegangen, und dass es dafür einen Elfmeter gab, wurde sogar von der durchweg schwarz-gelben Südtribüne mit Gelächter kommentiert. Der scheinbar Gefoulte verwandelte selbst, und da Jan Koller etwas später einen Konter zum 3:1 abschloss (73.), war die Partie NUS entschieden. VUS hatten sich nicht wenige der Zuschauer bereits mit dem neuen Dortmunder Standardergebnis abgefunden.

Fünf der letzten acht BVB-Partien endeten 1:1, und nachdem Dede eine Flanke zum überraschenden Gladbacher Ausgleich ins eigene Netz abgefälscht hatte (48.), schien das sechste so gut wie besiegelt. Das heißt freilich nicht, dass die westfälische Borussia keine Chancen gehabt hätte, das Spiel auf reguläre Weise zu gewinnen, ganz im Gegenteil. Schon in der ersten Halbzeit spielten die Dortmunder flott über die Flügel und stürmten wiederholt in den Rücken der Gladbacher Abwehr. Nach dem Nackenschlag des 1:1-Ausgleichs brach sogar die beste Phase der Gastgeber an.

Eine Filterzigarettenlänge über erhöhte der BVB Druck und Tempo und erhielt drei, vier klare Chancen. Da aber fangen die wahren Probleme des Teams an. Das große Dortmunder Ärgernis ist nämlich nicht, dass das Team unter seinen Möglichkeiten agiert und Probleme im spielerischen Bereich hat – das kennt man im Westfalenstadion seit Jahren. Das Ärgernis ist, dass die Elf in dieser Saison so viele überdurchschnittliche Spieler im Offensivbereich aufbieten kann, dass sie selbst an ihren zahlreichen schlechteren Tagen immer noch genug Chancen bekommt, um Tore zu schießen – es aber nicht tut.

Vor diesem Spieltag hatte das halbe Dutzend Star-Stürmer des BVB nicht mehr Treffer verbucht als die Angreifer von 1860 München oder VfL Wolfsburg. Andererseits kassieren die Dortmunder auch nur wenige Tore, und das, obwohl die Personaldecke in der Defensive so dünn ist, dass man in Nürnberg schon mal mit zwei 21-Jährigen in der Innenverteidigung spielen musste. Das verstehe, wer will, aber es erklärt, warum man auch im Spiel gegen Gladbach zweimal Hilfe vom Gegner benötigte, um schließlich zu gewinnen. Zuerst stupste Gladbachs Peter Nielsen den Ball zur Dortmunder Führung ins eigene Tor (10.), und dann kam eben der Gagelmann’sche Auftritt.

„Beim Elfmeter hatte ich das Gefühl, dass wir den nicht verwandeln“, dokumentierte Manager Michael Meier später die Dortmunder Zweifel an der eigenen Durchschlagskraft, die offenbar auch vom Gladbacher Torwart Jörg Stiel geteilt werden. Der fühlte sich durch den Fehlpfiff „um einen Punkt betrogen“, und niemand wollte ihm widersprechen. Bis zum späten Abend. Denn da schlenderte Schiri-Fürsprecher Eugen Strigel ins Scheinwerferlicht des „ZDF-Sportstudios“, schwadronierte sonor über eine „schwierige Entscheidung“ und bemängelte, dass „Witeczek den Arm leicht ausfährt“. In diesem Moment wird am Niederrhein Jörg Stiel auf seine Fernbedienung gedrückt haben.

ULRICH HESSE-LICHTENBERGER