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Rückkehr der Dusel-Bayern

Der 2:1-Sieg gegen den TSV 1860 München in letzter Minute steigert bei den Bayern die Zuversicht, die Konkurrenz erneut abfangen zu können. Derweil distanziert sich Peter Pacult von seinen Löwen

„Wir haben das heute erzwungen, weil wir die Punkte brauchen.“

aus München THOMAS BECKER

Oliver Kahn mal wieder: Sackte nach dem Schlusspfiff vornüber auf die Knie, erschöpft, als hätte er zuvor allein und mit bloßen Fäusten gegen ein Dutzend Löwen gekämpft, hämmerte dann aber die Jubelfaust in den lauen Münchner Abendhimmel, immer wieder – Jajaja. Bis die Blauen kamen und kurz Station bei Kahn machten auf ihrem bitteren Weg vor die Nord-Kurve, wo die Fans der Sechz’ger stehen. Danke sagen für die Unterstützung, obwohl – nun ja – mal wieder die anderen gewonnen hatten. Ein Kahn-Klaps für Wiesinger, den Ex-Bayern, ein Achselzucken für Kollege Jentzsch, so als wollte der Bayern-Kapitän sagen: „Ich weiß, dass es ungerecht ist, aber was soll ich machen? Ich bin halt einer dieser Dusel-Bayern.“

Der FC Bayern München ist wieder da. Und mehr als das: Wenn der deutsche Dusel-Meister in bester Vorjahrestradition wieder damit anfängt, in letzter Minute die Siegtore zu schießen, dann kann die Konkurrenz langsam anfangen einzupacken. Löwen-Präsident Karl-Heinz Wildmoser hat sich zumindest verbal schon ins Unvermeidliche gefügt: „Ich wusste, dass das so kommt. Weil es immer so ist.“

Er war nicht der Einzige, der das Löwen-Unheil hatte kommen sehen. Als Sforza in der 90. Minute den Freistoß in den Strafraum hob, sagte der Tribünennachbar: „Das wär jetzt ungerecht.“ Zwei Sekunden später sagte er gar nichts mehr. Thorsten Fink hatte mit seinem vierten Bundesligator im 132. Ligaspiel für Bayern das 2:1 geköpfelt (zuvor hatten Sergio und Stranzl getroffen), sich danach selbst zum „Derby-Spieler“ gekürt (er hatte auch beim 5:1 im Hinspiel getroffen), „enormen Stolz“ bekundet und gedroht: „Wir holen uns jetzt einen nach dem anderen runter“ – und damit die in der Tabelle vor Bayern befindlichen Konkurrenten gemeint.

Dass der FC Bayern das Derby gegen die Löwen gewinnt, war nicht die Überraschung: Im 195. Spiel gelang das den Roten zum 100. Mal. Die Fans vom „Club Nr. 12“ hatten ebenfalls damit gerechnet und eine Choreografie vorbereitet, bei der zu dem Text „Rot schlägt Blau“ ein mächtiger König einen schmächtigen Bauern zur Seite kickt – zu provokativ, fand die Polizei und verbat die Aktion. Bayern gewann trotzdem, exakt mit dem Ergebnis, das ein Computer errechnet hatte, der mit sämtlichen Derby-Daten der vergangenen 100 Jahre gefüttert worden war. Die Maschine hat halt immer Recht.

Strittig war eigentlich nur die Frage: War es Glück? Trainer Hitzfeld: „Wir haben zwar in der zweiten Hälfte etwas mehr Druck aufgesetzt, waren aber der glücklichere Sieger. Wir hätten auch verlieren können.“ Käpt’n Kahn sah das anders: „Das war kein Glück. Wir haben das heute erzwungen, weil wir die Punkte brauchen.“ Klar, was hätte Sechzig auch damit anfangen sollen?

An den Uefa-Cup glaubt sowieso keiner so richtig, und was die gesamte Mannschaft betrifft, da herrscht bei den Löwen derzeit auch eine merkwürdige Stimmung. Da klagt Trainer Peter Pacult, man „habe noch nicht die Spieler mit der nötigen Cleverness“, sagt später im „Sportstudio“ aber, er habe mit dem Kader, so wie er jetzt ist, nichts zu tun. Und meint wohl: Was soll ich mit denen anfangen? Solche Auftritte dürften die Stimmung an der Grünwalder Straße heben und prima Vorzeichen schaffen für die letzten acht Spiele.

Beim FC Bayern sind es noch ein paar Spiele mehr, dafür ist aber auch die Stimmung um ein Vielfaches besser. In einer Notbesetzung (acht Spieler fehlten gesperrt oder verletzt), „die wohl so nie wieder spielen wird“ (Hoeneß), gelang nicht nur der vierte Bundesligasieg in Serie, sondern auch die Rückkehr in gewohntes Fahrwasser, so Oliver Kahn: „Entscheidend ist, dass wir die Siegermentalität wieder gefunden haben. So kann man auch wieder Meister werden.“ Es klang wie eine Drohung. Und als es um den Stress und die Belastung der kommenden Wochen (Mittwoch in Manchester, Samstag auf dem Betzenberg) geht, legt Uli Hoeneß noch nach: „Die vielen Spiele machen nur Probleme, wenn man sie verliert. Wenn man gewinnt, setzen sie Kräfte frei.“ Immerhin wissen Dortmunder und Leverkusener nun, wem sie am Mittwochabend die Daumen drücken müssen.

FC Bayern München: Kahn - Sagnol, Linke, Sforza, Tarnat (67. Pizarro) - Hargreaves, Jeremies, Fink, Sergio - Santa Cruz (85. Zickler), Elber (85. Jancker)TSV 1860 München: Jentzsch - Kurz, Votava, Pfuderer - Wiesinger (86. Ehlers), Borimirow, Weissenberger (64. Häßler), Stranzl, Bierofka - Max, Pürk (64. Schroth)Tore: 1:0 Sergio (72.), 1:1 Stranzl (75.), 2:1 Fink (90.); Besond. Vorkommnis: Tarnat schießt Foulelfmeter (32.) an den Pfosten

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