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Countdown zum Fehlstart

Großflughafen: Berlin, Brandenburg und der Bund beschließen, in Verkaufsverhandlungen mit den Privatinvestoren zu treten. Trotz Bedenken und finanzieller Risiken für die öffentlichen Haushalte

von RICHARD ROTHER

Geschichte wiederholt sich nicht. Die jetzt geplante Flughafenprivatisierung kann aber leicht für ein Déjà-vu-Erlebnis herhalten: Denn genau wie bei der Bankgesellschaft drohen die öffentlichen Haushalte auf Milliardenrisiken sitzen zu bleiben, während die Privaten absahnen. Trotz starker Bedenken beschlossen gestern die Flughafeneigner Berlin, Brandenburg und der Bund, offizielle Verhandlungen über eine Privatisierung der drei Berliner Flughäfen und den Ausbau Schönefelds aufzunehmen. Das ist eine wichtige Vorentscheidung für einen privat finanzierten Ausbau – obwohl sogar Brandenburgs Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) das Angebot der Investoren als „nicht akzeptabel“ bezeichnet.

Das jüngste Angebot des einzigen verbliebenen Bieterkonsortiums um den Baukonzern Hochtief und die Immobiliengesellschaft IVG soll bei 122 Millionen Euro liegen. Den öffentliche Haushalten drohen Kosten und Risiken – etwa für die Infrastrukturanbindung – in Milliardenhöhe. Der Brandenburger Rechnungshof soll Risiken von bis zu 1,3 Milliarden Euro für die Steuerzahler ausgemacht haben. Dem Vernehmen nach ist zudem im Gespräch, bereits im Vorfeld eine rechtlich umstrittene Flughafengebühr in Berlin zu erheben und den neuen Airport erst 2011 zu eröffnen. Insgesamt werden rund 3 bis 4 Milliarden Euro für den Großflughafen veranschlagt, der 2007 in Betrieb gehen und Tegel und Tempelhof ersetzen soll.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bestand denn gestern auch darauf, dass die Investoren deutliche Nachbesserungen vorlegen. „Mit dem Angebot sind wir so nicht zufrieden.“ Bis zum Sommer soll nun ein bewertbares Verhandlungsangebot vorliegen, betonte Brandenburgs Wirtschaftsminister: „Wir sind nicht erpressbar.“

Das kann – zumindest grundsätzlich – bezweifelt werden. Je mehr sich die öffentliche Hand auf diese Privatisierung und das vorliegende Angebot einlässt, umso schwieriger wird es schon aus juristischen Gründen, aus dem Verfahren wieder auszusteigen. Die Wirtschaftsprüfergesellschaft Arthur Andersen soll bereits die Flughafen-Eigner in einem Gutachten davor gewarnt haben, offizielle Verhandlungen könnten bei einem Scheitern zu hohen Schadenersatzforderungen führen.

Bei einem Scheitern der Verhandlungen müssten die Finanz-Planungen völlig neu aufgerollt werden. Dann müssten Bund und die beiden Länder den Airportausbau finanzieren oder zumindest für Kredite bürgen, die die Flughafengesellschaft als Bauherr aufnimmt. Möglich wäre auch, nur die Rollbahn in öffentlicher Regie zu bauen und zu betreiben, während Terminal und Flughafenumfeld privat wären.

Mögliche Alternativmodelle sind nach Ansicht der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di viel zu wenig geprüft worden. „Wir kennen kein Argument, das uns überzeugt hätte, die Verhandlungen jetzt aufzunehmen“, hieß es gestern.

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