■ H.G. Hollein: Mitläufer
Das Leben, das ich führe, ist bisweilen ein Gehetztes. Vor allem, wenn ich im Geschirr gehe. Eigentlich – dachte ich – sei ich ja der Gespannführer, aber Labradordame Paula und ihr Rauhaarschäferschnauzkumpel Nicos erwiesen sich ab Öffnung der Wohnungstür als echt nietzscheanische Umwerter aller Werte. Mithin, sie zogen vorne munter los, und ich hing hinten wenig würdig dran. Immerhin wurde sich gelegentlich noch umgeblickt, ob der zweibeinige Schlappsack, den Frauchen ihnen als Gassigehvertreter zugemutet hatte, noch im Rennen war. Aber eben nur gelegentlich. „Die haben Sie wohl noch nicht lange?“ kommentierte eine ebenfalls hundegängige Passantin, als die beiden mit mir entlang der S-Bahn durchs Gebüsch brachen. „Nun ja“, hub ich an, allein, die weiteren Worte geronnen mir zu wenig druckreifen Flüchen, als Madame und Monsieur die direttissima durch einen reizvoll verschlammten Pfuhl in Angriff nahmen. Meine Bemühungen, mich mit sonorer Stimme via „Halt!“ und „Fuß!“ und „Sitz!“ als Leitrüde einzuführen, will ich hier im Ergebnis nicht näher qualifizieren. Zumindest kommt man so ganz schön rum. Was mich in den Augen meiner Schutzbefohlenen rehabilitierte, war die Tüte mit den Hundekeksen, die mir eine fürsorgliche Gefährtin in die Tasche gestopft hatte. Derweil Paula und Nicos ihre Bonzos knirschten und knurpsten, hatte ich das schöne Gefühl, die Lage souverän im Griff zu haben. Jedenfalls solange bis ein zwergpudeliges schwarzes Etwas auf der Bildfläche erschien, das seinem niedlichen Äußeren zum Trotz über einen offenbar unerschöpflichen Vorrat an bellbaren Injurien verfügte. „Kurz nehmen“, hatte man mir für solche Fälle mit auf den Weg gegeben. So griff ich denn beherzt der Halsbänder zwei und zerrte heimwärts. Wohin ich gegen erstaunlich geringen Widerstand auch bald gelangte. Echte Autorität setzt sich eben am Ende immer durch. Zumal, wenn es anfängt, in Strömen zu gießen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen