: Gut fürs Gemüt
Nicht ohne Genugtuung egalisiert Energie Cottbus das ehrverletzende 0:4 aus dem Hinspiel gegen St. Pauli
COTTBUS taz ■ „Noch nie war der FC Energie Cottbus in der Bundesliga so gedemütigt worden. Noch nie sein Trainer so tausendfach beleidigt, noch nie das Team so vorgeführt und anschließend verspottet.“ Solcherart echauffierte sich das Cottbusser Stadionheft vor dem Spiel. Zur Erinnerung: Energie verlor in Hamburg 0:4. Die Fans plakatierten „Ede in den Puff“ und „Ede Geyer, der beste Freier“. Das Pauli-Magazin druckte Cottbuser Stadtansichten: graue Garagentore, eine verfallene Eisdiele. Das Lausitzer Team wurde in sächsischem Dialekt begrüßt. Allesamt recht belanglose Frotzeleien, die Cottbus jedoch als Ehrverletzung interpretierte.
„Wir wollen uns und unseren Fans den Stolz und die Selbstachtung zurückgeben“, hatte Kapitän Christian Beeck angekündigt. Die Energie-Kicker baten am Samstag also um Satisfaktion, und das gelang durch einen 4:0-Erfolg aufs Törchen exakt. Zur weiteren Tarierung der Gemütslage hatte sich der Verein etwas ausgedacht. Die 500 Fans der Gäste wurden mit der Liedzeile willkommen geheißen: „Ich war immer der Loser, ganz hinten, immer der Arsch.“
Rot-weiß bekuttete Anhänger entrollten die Spruchbänder „Trotz Nuttentraining nur Schlappschwänze“ und „Rath, Marcao, Amadou – vom Fußballkicker zum Hurenficker“. Danach war den Gedemütigten offenbar wohler. Jedenfalls spielte Cottbus befreit auf, während St. Pauli sich in sein Schicksal fügte. Eine übel indisponierte Abwehr offerierte dem Heimteam eine Vielzahl an Chancen. Die Abwehrspieler Gibbs und Held ragten aus der inferioren Elf noch heraus. Zu allem Übel erweckte die Elf nie den Eindruck, sich wehren zu wollen.
Widerstandslos ließen sie sich das gegnerische Spiel aufzwingen. Verhuscht reagierten sie auf den Trash-Talk der Energetiker Beeck und Franklin. Auf rüde Fouls folgte kein Konter. Überfreundlich wurden die Bälle dem Gegner überlassen. Auch der Fanblock kuschte. „Man muss Manns genug sein, auf dem Platz gegenzuhalten, und darf nicht gleich seine Beinchen wegziehen“, ärgerte sich Trainer Demuth danach über das professionelle Zaudern seiner Spieler. Eine „Balletttruppe“ habe er auf dem Rasen ausgemacht. „Wir haben förmlich um ein Gegentor gebettelt“, sagte Demuth.
Sie mussten nicht lang hausieren gehen im Stadion der Freundschaft. Die Tore fielen schnell, und zur Halbzeit stand es schon 3:0. „Danach brauchten wir eigentlich nur noch Jojo spielen“, erkannte Demuth. „Das war ein Kollektivausfall, völlig daneben.“ Cottbus musste sich nicht sonderlich anstrengen. Die gegnerische Defensive richtete es jeweils für sie. So kam auch Stürmer Sebastian Helbig zu einem Treffer.
Helbig schoss zum 4:0-Endstand ein in der 85. Minute und durch diese Egalisierung des Hinspielergebnisses besserte sich die gute Laune der Cottbuser noch einmal zusehends. Doppel-Torschütze Marko Topic wagte sogar die Prognose, man sei bereits „gerettet“. Zwar ist Energie nun fünf Punkte von den Abstiegsrängen entfernt, aber bis zum Saisonfinale sind noch sieben Spiele zu spielen. Nach einer Umfrage des Kickers, an der sich fast 8.000 Menschen beteiligten, steigt Köln (97,6 Prozent Wahrscheinlichkeit), St. Pauli (60,2 Prozent) und Nürnberg (50,8 Prozent) ab, Cottbus aber nicht (49 Prozent).
Energie wird’s freuen. Das Selbstbewusstsein der Paulianer weniger. Nach vier erfolgreichen Spielen war es vor dem Ausflug nach Ostdeutschland recht aufgebläht. Nico Pastschinski orakelte in einem Interview: „Unsere Rückrunde ist UI-Cup-verdächtig. Aber das können und wollen wir nicht mehr schaffen. Uns ist langer Urlaub heilig. Es reicht schon, wenn wir 15. werden.“ Auch mit Platz 16 oder schlechter ist den Paulianern ausgiebiger Urlaub garantiert. Sie können dann erholt in die Spiele der 2. Liga gegen Reutlingen und Duisburg gehen.
MARKUS VÖLKER
FC Energie Cottbus: Piplica - da Silva - Beeck, Hujdurovic - Schröter, Kaluzny, Akrapovic, Kobylanski (82. Reghecampf) - Miriuta - Topic (76. Matyus), Franklin (62. Helbig)FC St. Pauli: Henzler - Stanislawski, Kientz, Gibbs - Held (35. Inceman), Bajramovic, Bürger, Rahn (51, Marcao) - Meggle (73. Kolinger) - Rath, Patschinski Zuschauer: 16.680Tore: 1:0 Franklin (19.), 2:0 Topic (28.), 3:0 Topic (34.), 4:0 Helbig (84.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen