Die Zeit durch Verschwendung gedehnt

Eselreisen und Multimedia-Schnipsel: Werke der zehn Kunsthaus-Stipendiaten  ■ Von Hajo Schiff

Sein knapp bemessenes Füllhorn schüttet das Hamburg Stipendium alle Jahre wieder über zehn junge Künstler aus, auf dass sie ein Jahr lang ein wenig sorgloser produzieren können (für ganz sorglos reichen rund 800 Euro nicht). Und da der Kulturhaushalt nicht üppig ist, gibt es sieben „Hamburger Arbeitsstipendien für bildende Kunst“ sowie drei privat gestiftete „Hubertus Wald Stipendien für junge bildende Künstlerinnen und Künstler“. Resultat der so „gesponserten“ zwölf Monate sind Katalog und Ausstellung von Werken sämtlicher Stipendiaten im Kunsthaus.

Da gibt es etwa Künstler wie Frank Lüsing und Oliver Kochta, die sich nicht nur das Stipendium geteilt haben, sondern zusätzlich mit dem Esel Clayde durch Südfrankreich gewandert sind. Dieses Erlebnis wiederum mündete in dem Film Travel with a Donkey. Nun hat solch ein einstündiger Film natürlich werkimmanente und kulturhis-torische Bezüge, beispielsweise auf das gleichnamige Buch von R. L. Stevenson.

Durch die eher simple Verfremdung, stets mit Perücken aufzutreten, wird der Film zur Performance, die sich deutlich von langatmig-mediokren Urlaubsfimen unterscheidet. Dabei bewegt sich das Geschehen zwischen intimer Albernheit und individuell vorgetragener Kulturkritik. Medienkritik in medialen Arbeiten sowie der Luxus exzessiven Zeitverbrauchs stehen ohnehin hinter vielen der Arbeiten – etwa, wenn Ina Hattebier in ihrem Video einfach von links nach rechts fließendes Wasser samt gelegentlich mitschwimmender Blätter vorführt. Und Peter Dombrowe, der schon öfter mit fotografischen und plastischen Arbeiten zur Konstitution postmodernen Raumverständnisses aufgefallen ist, zeigt in einem Kulissenbruchstück eine ähnlich langmütige, sensationsfreie Kamerafahrt durch Details seiner Atelierwohnung. Ausufernde Traumpaläste baut dagegen Nan-dor Angstenberger – auch wenn sie aus Kunststoffmüll sind und ein wenig an die afrikanischen Stadtvisionen von Bodys Isek Kingelez erinnern.

Im überwiegend medialen Angebot in der Defensive und doch beeindruckend ist die Malerei. Da gibt es die frech als „Trashing Modernism“ bezeichneten neokonstruktiven Planspiele von Markus Amm, vor allem aber die Konstellationen von Landschaft und Mensch bei Mario Palm. Die in Beziehungslosigkeit eingefrorenen Situationen mit Landschaftsrudimenten erinnern an die neue Leipziger Malerschule eines Neo Rauch, sind aber wesentlich freier gemalt. Mario Palm ist einer jener Künstler, die sich auch der Fotografie bedienen, für bestimmte Konstellationen aber die Leinwand bevorzugen.

Nicht unter dem Aspekt der Momentaufnahme, sondern vielmehr in ihren komplexen Bezügen untersucht Nina Könnemann soziale Gruppierungen. Sie positioniert Menschen wie Kegel auf der Bowlingbahn oder filmt in Fantasy-Spiel-Gruppen als teilnehmende Beobachterin.

In welche spielerischen Bezüge sich Skulpturen im öffentlichen Raum einbinden lassen, zeigt Manfred Kroboth auf einigen Aktionsfotos, die er zusammen mit Jutta Konjer schuf. Darüber hinaus arbeitet er in seinen eigenen Werken seit Jahren mit Klang, Geräuschen und Text. Eine Walkman-Führung rund um das unwirtliche Karree des Kunsthauses kann hier ausgeliehen und, wenn gewünscht, individuell nacherlebt werden.

Auch Wolfgang Oelzes aus Hunderten von Actionfilmen zusammengestelltes Medienschnipselwerk ist hier erhältlich. Und so können die menschenleeren, musikunterlegten Schwenks, die einem mörderischen Filmereignis vorausgehen, in der Modellversion selbst auf dem heimischen PC Grauen verbreiten. Mögliche Wahrnehmungen: leicht paranoid erlebte Allgegenwärtigkeit des Bösen oder nachsichtiges Durchschauen banaler hollywoodscher Gruseltechniken.

Stipendiaten 2001, Kunsthaus, Klosterwall 15, Di–So 11–18 Uhr; bis 7. April. Katalog mit einer Ton-CD + einer Bild-CD-ROM: 13 Euro