: Keine Patente für Entdeckungen
Seit über zehn Jahren wird bereits über die Ausweitung von Biopatenten gestritten. Eine EU-Richtline sieht vor, dass vor Monaten schon eine nationales Biopatentgesetz in Kraft treten sollte. Doch die Regierunskoalition kann sich nicht einigen
von WOLFGANG LÖHR
Bis Juli vergangenen Jahres hatte der Bundestag eigentlich nur Zeit ein neues Biopatentgesetz zu verabschieden. Die Frist ist vorgegeben in einer seit über zehn Jahren schon heftig umstrittenen EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen. Zwar liegt seit einiger Zeit ein entsprechender Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium vor, doch in den Fraktionen der rot-grünen Regierungskoalition wird jetzt der Streit weitergeführt, der in Brüssel jahrelang die Verabschiedung der Patentrichtlinie verhinderte.
Hauptstreitpunkt ist nach wie vor, ob es sich bei Genen oder einzelnen Sequenzen aus dem Genom von Organismen überhaupt um Erfindungen handelt. Das seien lediglich Entdeckungen, sagen Gegner der Patentrichtlinie wie zum Bespiel die Umweltorganisation Greenpeace. Und diese seien nach internationalen Vereinbarungen grundsätzlich nicht patentfähig. Die Biotechindustrie hingegen drängt seit langem schon auf einem möglichst weitreichenden Schutzumfang der Patente.
Urspünglich vorgesehen war, dass der Bundestag das Biopatentgesetz in dieser Woche verabschiedet. Doch auch nach mehreren Sitzungen einer gemeinsamen Arbeitsgruppe konnten sich die Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht auf einen Standpunkt einigen. „Ein rauer Ton“ soll auf der letzten Sitzung am Dienstag geherrscht haben. Während das Justizminsterium darauf besteht, dass, wenn eine Funktion eines Gens angegeben wird, auch die betreffende Gensequenz unter Patenschutz gestellt wird, lehnen die Kontrahenten diese „Stoffpatente“ ab. Das Patent solle nur die Funktion und darauf basierende Produkte schützen, zum Beispiel Diagnostika oder Medikamente.
Die überfraktionelle Arbeitsgruppe hat es jetzt aufgegeben, einen Konsens zu finden. Diese Aufgabe sollen nun die Fraktionsvorsitzenden übernehmen. Als neuer Termin für eine Abstimmung im Bundestag ist jetzt der Monat April anvisiert.
Nach Recherchen von Greeenpeace sind im vergangenen Jahr die Zahl der Anträge für Biopatente beim Europäischen Patentamt in München um rund 4.800 auf fast 30.000 angestiegen. Die Umweltorganisation Greenpeace forderte Anfang der Woche zusammen mit der Bundesärztekammer (BÄK) und dem katholischen Hilfswerk Misereor den Bundestag auf, das Biopatentgesetz nicht zu verabschieden. Stattdessen solle der Bundestag dem Beispiel der Parlamente in Frankreich und Luxemburg folgen, die sich gegen die EU-Richtlinie ausgesprochen hätten. So hatte das französiche Parlament beschlossen, dass menschliche Gene oder Teile des menschlichen Körpers „keine patentfähigen Erfindungen“ seien. Auch bestehe kein Grund zur Eile, denn „lediglich fünf EU-Mitgliedsstaaten, darunter Großbritannien, Dänemark und Irland, haben die Richtlinie bisher in ein nationales Gesetz umgesetzt“, sagte Greenpeace-Sprecher Christoph Then.
Der Patentexperte stellte mehrere neue Patentanträge vor, die zeigen sollen, wie weitreichend der Schutzumfang von Patenten gehen soll. So wurde von einem deutschen Anmelder unter der Patentnummer WO 01/94554 bei der „Weltorganisation für geistiges Eigentum“ (Wipo) in Paris ein Antrag für im Labor gezüchtete menschliche Organe eingereicht. „Mithilfe bestimmter Chromsomensätze sollen Organe, zum Beispiel linkes Bein, rechtes Auge, linkes Ohr, Hände, Mund und Nasenhälften gezüchtet werden“. Auch wenn diese Anmeldung technisch abstrus und nicht realisierbar sei, so Then, „juristisch ist diese Patentanmeldung aber nicht zu beanstanden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen