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Der Umweltschutz bleibt eingeölt

Auf der Nordseekonferenz in Bergen einigt man sich erfolgreich auf eine Vertagung nahezu aller Probleme

BERGEN taz ■ Die Ölindustrie ist nach wie vor die größte Gefahr für die Nordsee. Doch nur jede vierte Ölverunreinigung kann zum Verursacher zurückverfolgt und strafrechtlich verfolgt werden. Zu wenig, wie die fünfte Nordseekonferenz befand, die gestern im westnorwegischen Bergen endete.

Die 1986 eingeführte Flugüberwachung blieb nahezu folgenlos. Noch immer können sich Kapitäne sicher fühlen, wenn sie nachts Restöl und Ballastwasser ins Meer pumpen. Es mangelt an der Zusammenarbeit zwischen den Behörden und über Landesgrenzen hinweg. Nach dem Vorbild der Ostseeanrainerstaaten soll deshalb nun ein besser funktionierendes Informationsnetz zwischen Staatsanwaltschaften, Hafen- und Küstenüberwachungsbehörden geknüpft werden. Eine spezielle Konferenz in Schweden soll noch in diesem Jahr die Grundlagen legen.

Beklagt wurde auch der wachsende Verkehr russischer Erdöltanker. Norwegen kündigte an, die Grenzen seiner Territorialgewässer von 4 auf 12 Seemeilen auszudehnen, um damit die Schifffahrtsstraßen von der Küste wegverlagern zu können. Die Gastgeber gingen auch bei den Umständen der Ölförderung in die Offensive. Unter den zahlreichen chemischen Verbindungen, die bei Bohrung und Förderung freigesetzt werden, beunruhigen die ForscherInnen vor allem die Alkylphenole. Die haben offenbar stark negativen Einfluss auf die Fortpflanzung von Dorschen und anderen Fischarten – das norwegische Meeresforschungsinstitut spricht von einer „tickenden Umweltbombe“. Bislang werden solche Chemikalien – allein im norwegischen Sektor jährlich 190.000 Tonnen – aus Kostengründen von den Bohrinseln einfach ins Meer gepumpt. Oslo will der Ölindustrie bis zum Jahre 2005 eine „Nullquote“ verordnen, so dass im Prinzip kein Tropfen mit Öl oder Chemikalien verschmutztes Wasser mehr freigesetzt wird.

Was den industrialisierten Fischfang angeht, der dabei ist, nicht nur die Nordsee leer zu fischen, wurde man in Bergen wesentlich weniger konkret. 9 von 13 Nutzfischarten sind ernsthaft bedroht, doch über die einzig wirksamen Maßnahmen, Senkung der Fangquoten und Verhängung von Moratorien, kann man sich nicht einigen.

Ebenso ergebnislos wurden wieder einmal die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield und die von ihr ausgehenden radioaktiven Verunreinigungen diskutiert. Während der britische Umweltminister Michael Meacher auf Studien verwies, wonach Sellafield nur einen Bruchteil zur natürlichen Radioaktivität beitrüge, referierte sein norwegischer Kollege Börge Brende, man messe an der eigenen Küste eine durch Sellafield bedingte radioaktive Strahlung von teilweise über 600 Becquerel – 200 über dem EU-Grenzwert für Kindernahrung. Doch auch das wurde in der nicht bindenden Abschlusserklärung mit dem nicht verpflichtenden Versprechen, sich der „Unruhe“ in der Bevölkerung anzunehmen, abgehakt.

REINHARD WOLFF

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