Arbeitnehmer: Zeitarbeit ist im Kommen

Warum im hessischen Main-Kinzig-Kreis Sozialhilfeempfänger eher einen Job finden: Modellprojekt vorgestellt

BERLIN taz ■ In der Provinz ist einiges leichter. Auch für Leute, die versuchen, aktuelle soziale Probleme zu lösen. Etwa die Frage: Wie bekomme ich mehr Sozialhilfeempfänger in Arbeit? Und spare dabei der öffentlichen Hand noch Geld? Erich Pipa, SPD-Sozialdezernent des Main-Kinzig-Kreises in Hessen, präsentierte gestern in Berlin sein Modellprojekt. Sein Fazit: Die „Arbeitnehmerüberlassung“, sprich Zeitarbeit, sei „der Hit“ in der Beschäftigungspolitik.

Im Main-Kinzig-Kreis arbeiten Sozial- und Arbeitsämter schon seit 1996 in so genannten Modellteams zusammen. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist dort um 37 Prozent zurückgegangen. Die Zeitarbeit entwickelte sich dabei zur wirksamsten Waffe. Dabei gründet eine Gemeinde ein gemeinnütziges Unternehmen für Arbeitnehmerüberlassung. Bei diesem Unternehmen werden ehemalige Sozialhilfeempfänger fest angestellt. Die Löhne, die diese Beschäftigten erhalten, liegen unter den Branchentarifen, etwa bei 1.700 Euro brutto.

Private Firmen, die diese Kräfte benötigen, leihen die Arbeitnehmer dann aus – etwa für Saisonjobs in der Gastronomie oder für auftragsstarke Zeiten in Handwerksfirmen. Die Stundensätze der Entliehenen liegen dabei etwa um 13 Euro – also weit unter dem, was die Firmen zahlen müssten, wenn sie neue Kräfte fest einstellten.

„Für die Unternehmen ist das attraktiv“, so Pipa, „die müssen keine Sozialbeiträge entrichten, sich nicht um den Kündigungsschutz sorgen.“ Wenn die Betriebe die Kräfte nicht mehr benötigen, können sie sofort auf deren Dienste verzichten. Trotzdem bleiben die Arbeitnehmer fest angestellt – eben bei der Zeitarbeitsfirma, die sie dann weiterverleiht.

Bewährt sich jedoch eine solche Hilfskraft, wird sie von der Entleiherfirma manchmal in ein festes Beschäftigungsverhältnis übernommen. Etwa 40 Prozent der ehemaligen Joblosen, die im Main-Kinzig-Kreis über eine solche Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt waren, fanden dadurch anschließend einen Job auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt. Seit 1996 wurde der Haushalt im Kreis damit um 3,76 Millionen Euro an Sozialleistungen entlastet.

Die Arbeitnehmerüberlassung an private Firmen durch gemeinnützige Träger sei zukunftsträchtiger als etwa nur öffentlich geförderte Beschäftigungsmaßnahmen, sagte Pipa. Denn sie eröffne für viele einen Weg in den ersten Arbeitsmarkt, während die Teilnehmer an Maßnahmen hinterher oft wieder ohne Job dastünden.

Auch in anderen Regionen gilt Zeitarbeit als Zukunftsmodell. Denn den privaten Firmen erspart die Zeitarbeitsfirma Geld und Risiken, die mit der Festeinstellung von eigenen Kräften verbunden wären.

Ein Sprecher des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg sagte der taz, in einigen Regionen Brandenburgs deckten private Firmen schon ein Drittel ihres Arbeitsvolumens über Zeitarbeitsfirmen ab. Dabei handelt es sich bei den Verleihern in der Regel aber nicht um gemeinnützige Unternehmen, sondern um private Zeitarbeitsfirmen.

Diese privaten Zeitarbeitsfirmen stellen durchaus gerne Langzeitarbeitslose ein, weil sie für diese von den Arbeitsämtern Lohnkostenzuschüsse erhalten. Bei den Arbeitslosen sei die Zeitarbeit jedoch nicht so beliebt, erklärte der Sprecher: Sie bekommen mitunter eine Bezahlung bis zu 30 Prozent unter dem Branchentarif. Verlieren sie dann den Job bei dem Zeitarbeitsunternehmen, haben sie entsprechend geringere Ansprüche auf Arbeitslosengeld.

BARBARA DRIBBUSCH