: Verloren, aber passiert ist ja nichts
■ Sieben Spiele minus eins: Nach der unverdienten 1:2-Niederlage des FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart droht dem Klassenkasper von der vorletzten Bank die Rückversetzung
Es kam einer Vorladung zum Schuldirektor nach einem besonders bösen Streich gleich. Wie zwei Schüler, bei dem ein Bengel seinem unschuldigen Klassenkameraden die Verantwortung für einen misslungenen Scherz in die Schuhe schieben wollte, saßen VfB-Trainer Felix Magath und St. Pauli-Coach Dietmar Demuth nach dem Spiel bei der Pressekonferenz nebeneinander vor der richtenden Öffentlichkeit. Der FC St. Pauli, der einschlägig bekannte Klassenkasper von der vorletzten Bank, und der zumindest nach der Hinrunde von der taz als Klassenprimus ausgezeichnete VfB Stuttgart mussten sich verantworten.
Die unlogischen Argumente des in jüngerer Vergangenheit etwas gebremsten Klassenlieblings („Es war ein verdienter Sieg, auch wenn die Spielanteile und Chancen bei St. Pauli lagen“) reichten anhand der Faktenlage eines 2:1-Auswärtserfolges nach 90 Minuten dann aber aus, um den Vorverurteilten seinem Schicksal zu überlassen.
Die Gewissheit auf Seiten der Mannschaft des FC St. Pauli, nicht viel falsch gemacht und ein von Thomas Meggle regelgerecht erzieltes Tor in der 23. Minute aberkannt bekommen zu haben, änderten nichts an der bedrohlichen Situation des Teams. Demuth fügte sich schließlich der Tatsache, dass das bessere Team gegen massiv ersatzgeschwächte Stuttgarter (mit Hinkel, Bordon und Gerber fielen drei Stammspieler aus der Viererabwehrkette aus, und auch Timo Hildebrand musste aufgrund einer Wadenverletzung von Thomas Ernst im Tor ersetzt werden) verloren hatte, ohne sich einer direkten Schuld bewusst zu sein. Zwar konnte man ihm die Enttäuschung nach der schwer verdaulichen Niederlage in den unendlichen Tiefen seiner Stirnfalten und seiner nachdenklichen Leere im Blick ansehen. Doch mimte er den fairen Verlierer, dem es zwar sichtlich nicht aber verbal schwer fiel, Unerklärliches in verständliche Sätze zu pressen: „Von der Punktzahl ist unten ja nichts passiert, es ist jetzt nur ein Spiel weniger.“
Eine gefasste Reaktion auf das, was im Inneren des Trainers heftig brodelte. Erneut wurde seine Mannschaft durch eine Fehlentscheidung benachteiligt. Für Demuth schlimmer als die ausgelassenen Chancen seiner Schützlinge (61. Rath, 89. Meggle, 90. Gibbs), die nach einem 0:2-Rückstand, resultierend aus einem traumhaften Treffer von Balakov (75.) und einem Kopfballtor von Sean Dundee, zwar noch durch das erste Tor von Mathias Cenci auf 1:2 verkürzen, aber keinen Punkt gegen den Abstieg gut machen konnten.
Die Rückversetzung in die untere Klasse rückt für den FC St. Pauli nun bedrohlich nahe. Bleibt nur noch die Hoffnung, das sich die Mannschaft in den sechs verbleibenden Spielen aufmüpfiger verhält als ihren Klassenkameraden recht ist. Oke Göttlich
FC St. Pauli: Henzler - Stanislawski, Gibbs - Kientz - Held, Bajramovic, Inceman, Bürger - Meggle - Patschinski, Rath - Trainer: Demuth
VfB Stuttgart: Th. Ernst - Marques, Wenzel, Meira, Carnell - Soldo, Meißner - Hleb, Balakov, Seitz - Dundee - Trainer: Magath
Eingewechselt: 57. Rahn für Bürger, 67. Marcao für Bajramovic, 77. Cenci für Inceman - 51. Tiffert für Hleb, 57. Endress für Marques, 84. Todt für Seitz
Tore: 0:1 Balakov (75., Linksschuss), 0:2 Dundee (81., Kopfball, Vorarbeit Seitz), 1:2 Cenci (83., Linksschuss, Rath
Zuschauer: 20.629 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Gibbs - Marques, Seitz
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