: Finaaale, ohohoho!
Der deutsche Handball-Meister SC Magdeburg deklassiert Kolding IF mit 29:19, träumt vom Champions-League-Finale – und von ein bisschen mehr
aus Magdeburg FRANK KETTERER
All zu sehr wollte Alfred Gislason die gute Laune dann doch nicht überkochen lassen. „Das, was die Fans am Ende gesungen haben“, merkte der isländische Trainer-Hüne des SC Magdeburg deshalb an, „ist falsch“. Dass er sich nach dem glanzvollen 29:19-Sieg gegen den dänischen Meister Kolding IF im ersten Halbfinalspiel der Champions League damit als kleiner Miesepeter an dem ansonsten so stimmungsvollen Handball-Nachmittag outete, dürfte Gislason ziemlich schnuppe sein. Schließlich ist „erst Halbzeit“, wie der SCM-Coach faktengerecht anmerkte, und somit noch reichlich früh, um stehenden Fußes Choräle vom „Finaaale, ohohoho“ anzustimmen, wie das die Mehrzahl der rund 8.000 Menschen in der vollbesetzten Bördelandhalle tat.
Andererseits: Was soll nächsten Sonntag noch schief gehen bei zehn Toren Vorsprung und gegen einen Gegner, der sich im Hinspiel in allen Belangen als unterlegen zeigte? „Wir haben einen großen Schritt getan“, stellte dementsprechend SCM-Kreisläufer Uwe Mäuer fest, was er „zu 70 Prozent“ der Abwehr zuschrieb, deren Leistung auch Gislason („Die Deckung stand besser als in der ganzen Saison“) hervorhob. Eine „sehr, sehr gute Ausgangsposition“ konnte deshalb auch Defensivkraft Steffen Stiebler attestieren, wenngleich er fürs Rückspiel prophylaktisch schon einmal „die gleiche Konzentration wie heute“ anmahnte.
Die scheint bei allem Vorsprung durchaus auch vonnöten, denn wie es kommen kann, wenn dem SCM die Aufmerksamkeit im Spiel flöten geht, war schon am Samstag zu sehen: Just als beim 18:9 nach 39 Minuten erstmals eine Zehn-Tore-Führung winkte, nahmen die Magdeburger eine geistige Auszeit. Prompt schrumpften die neun auf sechs Tore Vorsprung. Ähnliches wiederholte sich in Minute 50, als Koldig von 24:14 auf 24:17 näher rückte. Hätte in diesen Phasen verlorener Ordnung nicht wenigstens Torsteher Gaudin, mit 17 gehaltenen Bällen überragender Rückhalt, sein Hexerniveau beibehalten, die Führung hätte durchaus noch weiter schmelzen können. „Da waren einige Spieler schon zufrieden und wollten für ihre eigene Statistik spielen“, nannte Gislason den Grund für die kleinen Durchhänger. „Vielleicht haben wir uns in diesen Phasen schon zu sicher gefühlt“, glaubte auch Kreisläufer Mäuer. Kurzfristig war das im Vorfeld durchaus gefürchtete Kolding auf Solingen- oder Willstätt-Niveau geschrumpft und somit auf normales Bundesliga-Maß – schon lief es beim SCM weniger rund.
„Vielleicht ist es eine unserer Schwächen, dass wir gegen schwächere Mannschaften auch schwächer spielen“, gibt Linksaußen Stefan Kretzschmar, der wegen seines Jochbeinbruchs fehlte, zu. In der Liga macht sich das derzeit mit Platz sechs und sechs Zählern Rückstand auf Tabellenführer TBV Lemgo bemerkbar. Das, so „Kretzsche“, sei freilich weniger ein Motivationsproblem als vielmehr eine Kraftfrage. „Im Unterbewusstsein haushaltet man gegen schwächere Teams schon mal mit den Kräften“, sagt der SCM-Star, was bei 39 Pflichtspielen seit September zuzüglich EM keineswegs absonderlich ist. Zumal der deutsche Meister in dieser Runde mit Verletzungen reichlich gesegnet war. „Gegen Kolding konnten wir endlich mal wieder annähernd in Bestbesetzung antreten. Das war in dieser Saison noch nicht oft der Fall“, bemerkte auch Steffen Stiebler. „Was dabei rauskommt, hat man ja gesehen“, fügte er an.
Ein glanzvolles 29:19 wie erwähnt, zudem beste Aussichten aufs Finale – und ganz bestimmt „jede Menge Selbstvertrauen“, wie nicht nur Trainer Gislason hofft. „Ich glaube nicht, dass wir uns bisher unter Wert verkauft haben“, sagt Stefan Kretzschmar ohnehin, schließlich steht die Mannschaft in der Endrunde um den DHB-Pokal (6./7.April), und auch die Sache mit der Meisterschaft sieht der Linksaußen „keineswegs gelaufen“, schon weil Kiel (am Mittwoch), Nordhorn und Lemgo allesamt noch in Magdeburg antreten müssen, sechs Punkte können da noch getilgt werden. „Wenn es richtig um was geht“, sagt Kretzschmar und grinst, „packen bei uns alle noch was drauf.“ Das darf durchaus als Drohung verstanden werden.
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