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NachgefragtIm Saldo mehr Verlust als Gewinn

■ Grüne über schweren Wahlkampf, Hoffnung und Prozente

Zuwanderungsgesetz und Bundesratseklat. Der Wahlkampf ist nicht mehr weit. Über Chancen und Strategien der Grünen in Bremen sprach die taz mit Matthias Güldner, Fraktionsvize und Mitglied der Wahlkampfkommission.

taz: Bei der letzten Landtagswahl hatten die Grünen fast das dickste Minus in der BRD. Immerhin 4,2 Prozent weniger.

Matthias Güldner: Davor hatten wir aber über 13 Prozent. Die Wahl 1999 fiel genau in die Zeit zu Beginn des Kosovo-Kriegs und des schlechten Starts der rot-grünen Bundesregierung. Daher die neun Prozent, was für Bremer Verhältnisse wirklich ein relativ schlechtes Ergebnis war.

Macht das Hoffnung?

Bremen lag eigentlich immer über dem Bundesdurchschnitt. Bei der Bundestagswahl hoffen wir sehr, dass wir die knapp elf Prozent bekommen, die wir brauchen, um Marieluise Beck in den Bundestag zu kriegen.

Und wie ist die Stimmung hier?

Man hat den Eindruck, dass die große Koalition mit ihren hohen Gewinnen am Wahltag den absoluten Höhepunkt hatte. Aber die Popularität von Scherf und dieses „Wir packen jetzt die Sanierung an“ ist vorbei: Die Schulden steigen immer mehr. Das war nur eine fiktive Sanierung.

Der Untersuchungsausschuss um Zechbau gehört auch zum Wahlkampf?

Diese Entscheidung war schon sehr lange überfällig – ganz unabhängig von Wahlen und Legislaturperioden. Weil in Bremen ganz viele Leute ahnten, dass es hier in einigen Bereichen nicht mit rechten Dingen zu geht.

Was gehört sonst noch zum Wahlkampf?

Bei der Bundestagswahl werden bundespolitische Themen im Vordergrund stehen. Natürlich auch mit Marieluise Beck als Kandidatin und die Frage der Zuwanderung. Und das Spektrum: Verbraucherschutz und Umwelt. Und die Friedenspolitik? Verkneift man sich das jetzt?

Das ist eine ganz schwierige Geschichte. Das Thema kommt – aber ein bisschen differenzierter als sonst. Nicht mit so einfachen Antworten wie früher, wo man das auf schlichte Nenner bringen konnte. Wobei wir natürlich einige Leute verlieren werden.

Das heißt: Ihr habt richtig Mitglieder verloren?

Wir haben auch im Nachklapp des 11. September und des Af-ghanistan-Krieges Mitglieder verloren. Auch im Saldo mehr verloren als dazugewonnen. Wobei doch interessant ist, dass eine ganze Menge junge Leute extra deswegen eingetreten ist. Aber man muss sich nix vormachen, das sind ganz schwierige Prozesse. Gerade die Frage: Was kostet eine Partei wie uns die Regierungsbeteiligung? Grün sein und regieren – geht das überhaupt?

Wie geht es in Bremen?

In Bremen stellt sich das noch mal ganz anders dar. Wir sind die klare Alternative gegenüber dem, was SPD und CDU als Sanierungspolitik verkaufen. Ich habe immer mehr den Eindruck, dass sich die Leute nicht mehr blenden lassen von Scherf und Perschau und deren Schönrednerei.

Und Eure Strategie?

Für uns ist klar, dass wir uns ganz deutlich positionieren, jenseits von CDU und SPD. Ich glaube auch fest, dass die Stimmung für die große Koalition – vor allem in der SPD – fast auf dem Nullpunkt ist. Und dass man mit der Formel „Wir streben die absolute Mehrheit an“ einen Königsweg gefunden hat, hinter dem sich alle versammeln können. Wenn das nicht erreicht wird, wird sich die Frage große Koalition oder Rot-Grün ganz neu stellen.

Aus der Einladung der CDU vor einem Jahr ist also nichts geblieben?

Wir hatten einen sehr informativen langen Abend. Aber inhaltlich hat sich bei der CDU nichts getan. Mit einer Partei, die jung, erfrischend, liberal aber wertkonservativ wäre, hätte man sich das überlegen können. Aber davon kann bei den Herren Eckhoff und Neumann und Hattig und Perschau keine Rede sein.

Was wird am schwierigsten im Wahlkampf?

Zu vermitteln, dass die ganze Freundlichkeit von Henning Scherf begleitet ist von einem äußerst ignoranten und brutalen Politikstil, der im Grunde genommen eine ultrakonservative Politik mit einer sehr angenehmen Fassade verbindet. Das ist unsere schwerste Aufgabe.

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