Rührung, gut abgehangen

Oh Elvis, der du bist im Himmel: Julian Dawson etabliert sich als souveräner Sachwalter von Country-Traditionen. Gene Parson begleitet ihn beim Konzert im Waschhaus Potsdam mit allen Tönen, die der wilde Westen zu bieten hat

Es gibt schon seltsame Lebensläufe. Julian Dawson beispielsweise wurde in London geboren, exakt zu jener Zeit, in der Elvis seine ersten Songs aufnahm in den legendären Sun Studios zu Memphis. Auf diese historische Parallele wird Wert gelegt in seiner Biografie. 48 Jahre später allerdings befindet sich der Sänger und Gitarrist nicht etwa auf der anderen Seite des großen Teiches und hat dort Karriere gemacht, sondern in England und überquert vorzugsweise den Ärmelkanal, um sich mit Konzerten hier zu Lande einen vergleichsweise bescheidenen Lebensunterhalt zu sichern.

Es ist ein musikalischer Lebenslauf geworden zwischen allen Stühlen. Schon in den Sechzigerjahren kam er nach Deutschland, um hier in Städten mit US-Garnisonen für die amerikanischen Soldaten zu spielen. Später hat er mit Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit gearbeitet und mit Richard Thompson, ist aber auch aufgetreten im Vorprogramm von BAP und hat für Wolfgang Niedecken auf dessen erster Solo-Platte gespielt. Er hat mittlerweile 15 Alben herausgebracht, aber trotz eines Duetts mit Lucinda Williams war er für den Underground nie interessant und für den großen Erfolg im Musikgeschäft hat er immer zu trotzig die Traditionen hochgehalten.

Ob nun als Singer/Songwriter oder Verfasser romantischer Balladen, als Country-Rocker oder Folk-Sänger: Dawson adaptierte immer vor allem souverän historische Vorlagen und einschlägige Klischees. Die reproduziert er noch heute vorzugsweise in den eher kleineren Clubs der Republik vor einem dankbaren Publikum, bereit ein paar Erinnerungen zu teilen.

Sein Kapital: Dank seiner Herkunft gilt er als authentisch, obwohl seine musikalischen Vorlagen so gut wie nicht aus Großbritannien stammen. Sein neues Album „Hillbilly Zen“ sieht er nun ausdrücklich als Ehrerbietung an die amerikanischen Traditionen, die ihn vor allem beeinflusst haben. Bei den Aufnahmen geholfen hat ihm zudem Gene Parsons. Der ist zwar nicht zu verwechseln mit seinem Namensvetter Gram Parson, war aber wie der Mitglied der Byrds und Flying Burrito Brothers, hat allerdings in beiden Formationen sehr viel bescheidenere Rollen gespielt. Parsons steuert nun nicht nur sein gewohnt entspanntes Schlagzeugspiel bei, sondern auch Backgroundgesang und Einlagen auf Gitarre, Banjo, Mandoline, Mundharmonika und Bass.

Und nicht zuletzt sorgt er für eine historische Einordnung des Ganzen, die Dawson, der dafür alle Songs schrieb, nicht unrecht sein dürfte. So werden auf „Hillbilly Zen“ denn auch akademisch alte Stile wie Bluegrass oder Skiffle abgearbeitet, als gelte es, eine Vorlesung zu vertonen. Mitunter mag sich das ein wenig gewollt anhören, aber immerhin werden ausgelutschte Trucker- oder Lagerfeuerromantik ausgespart.

Bisweilen produzieren die alten Herren zwischen der gut abgehangenen Routine sogar einige anrührende Momente. Dann kann man sich einbilden, auch wenn Dawson keinen Song geschrieben hat, der sich ausdrücklich mit seiner kürzlich überstandenen Krebskrankheit beschäftigt, dass die beiden alten Herren hier mehr betreiben als nur die Verwaltung von Country und Verwandtem. Allerdings: Der gute alte Elvis, der ist beim besten Willen in dieser Lehrstunde nicht einmal als Gastdozent anwesend. Der ist endgültig tot.

THOMAS WINKLER

27. 3., 21 Uhr in Potsdam, Waschhaus, Schiffbauergasse 1