: Oster-Ohrfeige für Scherf & Co.
■ Zwei Umfragen belegen: Bremer kritisieren Politiker und Lebensqualität
Die Bremer haben ihren Politikern unerfreuliche Eier ins Osternest gelegt: In gleich zwei Umfragen schneiden sie und die Lebensqualität im Stadtstaat in großen Teilen miserabel ab.
Die Mehrheit der Bremer ist laut einer Umfrage der Arbeitnehmerkammer (AK) unzufrieden mit der Politik. „Eine Ohrfeige“, sagte AK-Geschäftsführer Hans Endl. „Es reicht halt nicht, wenn Bürgermeister Scherf sagt, in Bremen würden die Uhren eben anders ticken“, meinte Irmtrud Gläser, die AK-Präsidentin. Die Kammer hatte über 700 Arbeitnehmer per Telefon befragen lassen. Die Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Konkret“ ist auch repräsentativ für die 110.000 Pendler, die im Stadtstaat arbeiten.
Und sie verteilt schlechte Noten für das Bundesland. 13 Prozent der befragten Arbeitnehmer finden die Stadt „zu schmutzig“, je sieben Prozent kritisieren schlechte Straßen, mangelndes Kulturangebot und die vielen Baustellen. Auch der „zu hohe Ausländeranteil“, Kriminalität und die wirtschaftliche Lage missfielen. 55 Prozent der Pendler betonten sogar, sie wollten „auf gar keinen Fall“ nach Bremen ziehen.
Noch schlechter sieht es in Bremerhaven aus. „Die Bremerhavener haben noch geringere Erwartungen an die Politik als die Bremer“, sagte Meinungsforscher André Scharf. 63 Prozent der Pendler würden „auf gar keinen Fall“ nach Fischtown ziehen wollen. 18 Prozent der befragten Arbeitnehmer finden die Stadt zu dre-ckig, je neun Prozent mäkeln am Kulturangebot und an der unbelebten Innenstadt. Weitere Minuspunkte: Obdachlose und Junkies sowie die „sturen oder intoleranten“ Bremerhavener. Dabei wurde die Frage „Was gefällt Ihnen nicht?“ „offen“ gestellt – das heißt: keine Antworten waren vorgegeben.
Auch was sich die Menschen von der Politik fordern, wurde erfragt: Für mehr Lehrstellen sind 29 Prozent der Bremer, 26 Prozent wollen mehr Engagement in Sachen Arbeitslosigkeit. Auf der Wunschliste folgen: bessere Schulen (17 Prozent), mehr Bildung (16) und Infrastruktur (13). Noch unzufriedener sind die Bremerhavener: Hier fordern 48 Prozent einen stärkeren Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Auf den Plätzen: Lehrstellen (32 Prozent), Wirtschaftsförderung (16) und Sauberkeit (14).
Aber es gibt auch Lichtblicke: Das Grün und die „Überschaubarkeit“ der Stadt finden je 13 Prozent der Bremer „gut“, gefolgt von der „gemütlichen“ City (12 Prozent). Je 27 Prozent der Bremerhavener loben sogar den Deich und die alten Häfen. Weitere Pluspunkte: die Nähe zum Meer (18 Prozent) und die „gute Luft“ (16).
Weitgehend negativ schneidet Bremen auch bei einer Online-Umfrage des Stern ab, an der sich 170.000 User beteiligt haben. Bei einem Vergleich unter 100 Regionen in Deutschland landet Bremen in punkto Lebensqualität auf Platz 63, Bremerhaven auf Rang 67 – dahinter liegen fast ausschließlich Regionen aus den neuen Bundesländern. Besonders schlecht bewerteten die Befragten die Schulbildung. Hier liegt Bremen vor Berlin auf dem vorletzten 15. Platz, Bayern ist Sieger. Nur 15 Prozent der Befragten sind mit den Schulen im Land zufrieden, in Bayern – das bei der Umfrage Platz 1 belegte, sind es 29 Prozent. Pisa liegt, glaubt man dem Stern, an der Weser. Bemerkenswert ist ein Spitzenwert aus Bremerhaven: 16 Prozent der Fishtowner können sich den Gang in die Selbständigkeit vorstellen. Darin liegt die von Arbeitslosigkeit gebeutelte Region bundesweit auf Platz 3.
Und was sagen die Gescholtenen im Rathaus? „Umfragen kommen alle Jubeljahre, und bei der Lebensqualität haben wir auch schon hervorragend abgeschnitten“, meint Sprecher Hermann Pape. „Da sollte man genau hinschauen, bevor man voreilige Schlüsse zieht.“
Kai Schöneberg
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