Rückreise in die Diaspora

Die München Barons sind nach dem 4:2 gegen die Augsburg Panther auf dem Weg ins Play-off-Halbfinale. Doch Klubbesitzer Anschutz findet, dass sich Eishockey und Weißwurst nicht vertragen

aus München THOMAS BECKER

Gerd Leinauer hat’s geschafft. Mit einem dünnen Sätzchen unterbricht der Fernsehmann von Premiere die wunderbare Fedra-Show, das lieb gewonnene Ritual nach den Pressekonferenzen der München Barons, und es gelingt ihm das scheinbar Unmögliche: Max Fedra sprachlos zu machen – wenn auch nur für ein paar Sekunden. Fedra ist Niederbayer, dazu auch noch Manager des mit knapp drei Jahren jüngsten Klubs der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Seine eigentliche Berufung ist aber die des Entertainers, des Geschichten- und Späßken-Erzählers. Genüsslich vergräbt er dann seine Hände in der Anzughose, zieht am unvermeidlichen Glimmstengel und schwatzt, schimpft oder albert drauflos.

Nach dem 4:2 gegen die Augsburg Panthers, dem zweiten Sieg im dritten Spiel des Play-off-Viertelfinales, veräppelt er den TV-Mann ein wenig, gibt vor, ihn für sein Barons-Team verpflichten zu wollen, worauf Leinauer, ein gebürtiger Ausgburger, nur sagt: „Ich will aber nicht nach Hamburg.“ Zack!, das sitzt, Fedra schweigt. Die Gerüchte, dass Barons-Besitzer Phil Anschutz nicht mehr allzu viel Interesse am Eishockey-Standort München hat und die DEL-Lizenz nach Hamburg verkauft wird, halten sich standhaft, egal wie oft und ausdauernd Fedra & Co. das Gegenteil beteuern.

München und Eishockey – das ist eine heftig kriselnde Partnerschaft. Vor knapp drei Jahren gefiel es Anschutz, dem siebtreichsten Mann der Welt, seinem beachtlichen Sport-Imperium (Basketball, Fußball) einen weiteren Standort hinzuzufügen: München, eine Stadt, die lange Jahre in der Eishockey-Diaspora zugebracht hatte und nach den zirkusreifen Pleiten von Hedos und Maddogs schlicht die Nase voll hatte von allein herrschenden Hauptsponsoren.

Sportlich ist das Projekt München Barons ein Hauptgewinn: Meister im ersten Jahr, danach Zweiter, und nun Vorrundensieger – besser geht’s kaum. Wirtschaftlich sieht’s freilich bescheidener aus: Der Zuschauerschnitt wächst seit den ersten Tagen lediglich im Dezimalbereich, mit etwa 3.000 pro Spiel liegen die Münchner in den Abstiegsplätzen der Zuschauertabelle, das können auch die zwei ausverkauften Play-off-Partien gegen Augsburg nicht überdecken.

Lange brauchte Geschäftsführer Boris Capla, bis er die Bande im Olympia-Eisstadion endlich vermarktet hatte, und muss sich immer noch Kritik von den Fans gefallen lassen, die zuletzt per Plakat fragten: „Capla, wo bleiben die Sponsoren?“. Vielen ist unwohl bei dem Gedanken, dass das Wohl und Wehe des Vereins an einem Mann hängt, viele fragen: Was passiert, wenn Manager Fedra oder Trainer Sean Simpson weg sind? Wenn die Barons nicht wie gewohnt oben stehen? Wenn lieb gewonnene Spieler abwandern? Und – die wichtigste Frage: Wie lange pumpt der Geschäftsmann Anschutz noch Geld in ein Unternehmen, das zwar Pokale sammelt, mit dem aber selbst auf lange Sicht kaum etwas zu verdienen ist?

Fragen, auf die es weder aus München noch aus London, der Europa-Zentrale der Anschutz-Gruppe, noch aus Dallas (Texas), dem Sitz der Konzernzentrale, verlässliche Antworten gibt. Die Kontinuität des Anschutz-Engagements hängt weniger mit dem Fortkommen in den Play-offs zusammen als mit der Perspektive für den reichen Onkel aus Amerika.

Wie sieht es in München etwa mit dem Bau einer neuen Halle aus? Kann er bei der anstehenden Renovierung der Olympiahalle einen Fuß in die Tür bekommen? Kann er demnächst endlich auch beim Catering verdienen, das momentan für den gesamten Olympiapark in der Hand eines einzigen Gastronomen ist? Kann er als Konzertveranstalter einsteigen, wenn spätestens 2006 die Fußballer das Olympiastadion verlassen? Doch Anschutz schweigt.

Detlef Kornett, sein Europa-Adjutant und somit auch zuständig für die Berliner Eisbären, den zweiten Anschutz-Klub in der DEL, redet zwar viel, sagt aber wenig. Und dann ist da noch dieser Niederbayer mit der wunderbaren Fedra-Show, der wohl beste Indikator für den Zustand der Barons. Alle wissen: „Wenn der Fedra mal weg ist, gibt’s die Barons nicht mehr lange.“ Wir haben ein Auge auf ihn.

München – Augsburg 4:2 (2:1)Zuschauer: 6.300, Tore: 0:1 Morczinietz (33:24), 1:1 Douris (35:57), 2:1 Wheeldon (44:16), 3:1 Schubert (51:11), 3:2 Moeser (56:37), 4:2 Peacock (59:36)Nürnberg – Kassel 3:2 (1:2)Krefeld – Köln 2:4 (0:3)Köln im HalbfinaleMannheim – Eisbären Berlin 4:3 (2:1)Play-off-Stand in Klammern