Braten in Bestform: Kaninchen in Senf oder mit Backpflaumen:
In den Fünfziger- und Sechzigerjahren schmurgelten Kaninchen sonntags häufig in der Pfanne. Im Schwäbischen züchteten die zugezogenen Flüchtlingsfamilien die Tiere in riesiger Zahl. Das Futter war gratis, sofern man Sense oder Sichel besaß, und die Nager waren problemlos zu halten. Ein paar alte Bretter, ein wenig Dachpappe, etwas Maschendraht, fertig! Höhepunkt der Saison war das Frühjahr, wenn der Vater die Häsin in den Sack steckte und sie zum Nachbarn trug, der einen „guten Bock“ hatte mit breitem gedrungenen Schädel.
Die Häsin wurde in den Stall ihres Liebhabers gesetzt, und alle warteten, dass sie „aufnahm“, wenn der Rammler seiner Bestimmung nachging. In dreißig Sekunden war alles vorbei. Vier Wochen später begann sich das Tier Haare aus dem Fell zu rupfen und ein Nest zu bauen. Die Jungen waren nackt, blind und oberhässlich. Wir Kinder durften sie niemals berühren, weil die Häsin sie sonst liegen ließ.
Trotz der innigen Beziehung zu den Kaninchen, geschah das samstägliche Schlachten tränenfrei. Vor dem Handkantenschlag ins Genick und dem Stich in den Hals wurden die Kinder weggeschickt. Das Ausnehmen war öffentlich, der Großvater erklärte akribisch den Sitz der Organe. Das Wichtigste: Nie die Galle verletzen!
Kaninchen können, genau wie Hühner, auf tausend Arten zubereitet werden. Sie gelingen leicht und schmecken gut. Zu den schönsten Rezepten gehören die beiden Klassiker: Kaninchen in Senf und in Backpflaumen.
Kaninchen dürfen niemals im Ganzen gebraten oder geschmort werden. Der Rücken hat wesentlich kürzere Garzeiten. Also muss das Tier in jedem Fall zerteilt werden. Den Rücken gibt man erst 35 Minuten später in den Bräter, sonst sind entweder die Keulen noch hart, wenn der Rücken schön saftig ist, oder die Keulen sind saftig und der Rücken ist strohig und trocken.
Junge Kaninchen brauchen fünfzig bis sechzig Minuten im Schmortopf, ältere Tiere auch mal achtzig Minuten. Die Bauchlappen der Kaninchen rollt man wie eine Roulade zusammen und hält sie mit einem Zahnstocher in Form. Sie schmecken besser als sie aussehen.
Beim Senfkaninchen alle Teile in Erdnuss- oder Sonnenblumenöl anbraten, salzen, pfeffern und anschließend großzügig mit Estragonsenf bestreichen. Eine klein geschnittene Zwiebel und eine Knoblauchzehe ebenfalls anbraten und mit den Kaninchenteilen mischen, ein Glas Grauburgunder, zwei bis drei Tassen Gemüsebrühe angießen. Bei zweihundert Grad im Backofen 35 Minuten schmoren, dann den Rücken zugeben und einen Becher Sahne dazugeben, umrühren, nochmal eine halbe Stunde im Rohr lassen. Alle Stücke zweimal wenden.
Vor dem Servieren die Sauce passieren und nachwürzen. Die Kaninchenteile in einer Pfanne mit Butter und klein gehacktem frischen Estragon durchschwenken. Dazu Gemüse, Kartoffeln und einen Grau- oder Weißburgunder aus der Pfalz.
Beim Kaninchen in Backpflaumen wird auf die Senfschmiere verzichtet. Statt Weißwein wird leichter Rotwein angegossen. Neben Zwiebel, Knofel, Sahne und Brühe werden eine Hand voll Speckwürfel und dreihundert Gramm Backpflaumen mitgeschmort.
Die Pflaumen hat man zuvor in Schwarztee eingeweicht, sie schmurgeln die letzten 25 Minuten mit. Wacholderbeeren, Lorbeerblatt und zwei Nelken dürfen auch ins Töpfchen. -man-
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