: Eine Ohnmachtserklärung
betr.: „Naziskins werden immer jünger“, taz vom 19. 3. 02
Wenn ein Staat gegen rechte und / oder extremistische Menschen / Gruppen immer härter vorgehen muss und dies scheinbar nur ausreichend kann, indem er die Überwachungsgesetzte ständig verschärft, so ist dies eine Ohnmachtserklärung und das Eingeständnis eines Versäumnisses gesellschaftlicher und mitmenschlicher Verpflichtungen.
[…] Wichtiger wäre eine tatsächlich engagierte Verfolgung und Ahndung rechtsgerichteter (Gewalt-)Taten, ein Vorgehen gegen am Geschehen teilnehmende Beobachter, die ihrer Pflicht zur Hilfe nicht nachkommen, eine konsequente Aufklärung unterlassener oder gegen zu spät erfolgte Hilfe von behördlicher, polizeilicher und juristischer Seite.
Der Verfassungsschutz bietet sich Nazis als Aussteigehilfe an, während er gleichzeitig hohe Nazikader mit finanziellen Mitteln fördert und ihre Taten ungeahndet lässt, Gerichte erlassen Berufsverbote gegen Kopftuchträgerinnen, ein Gesetz soll an den Start, welches Flüchtlinge und Einwanderer auf ihre Funktionalität hin selektiert, Asylsuchende werden in Haftanstalten gesteckt (u. a. in Berlin nur einige Steinwürfe weit von der NPD-Zentrale entfernt), werden in Residenzpflicht-Ghettos gehalten, Stoiber und Merz sind salon- und ersterer sogar kanzlerfähig geworden, die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Versammlungs- und Reisefreiheit werden eingeschränkt, Mitmenschen schauen weg, wenn andere Menschen angegriffen oder angepöbelt werden, Kinder spielen „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“. Die Bespitzelung 14-Jähriger scheint mir kaum ein geeignetes Mittel zu sein, um gegen Ignoranz, Intoleranz, konservativ-braunen Mief und dumpfes Stammtischgegröle anzugehen. Nazis sozialisieren sich schließlich nicht selbst und 14-Jährige entdecken nicht urplötzlich ihr Interesse an Gewaltverherrlichung und Rassismus.
PAMELA PFITZNER
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