piwik no script img

berliner szenen alle Jahre

Alle Münzstätten

Sammeln Sie auch? Würden Sie mir ansonsten die 2 Cent mit dem Comicfigurkopf überlassen, ich böte auch 3 Cent mit Eichenlaub. Euroteuerung hin oder her, den neuen Münzen bin ich verfallen. Und das nach all den sammelzwangfreien Jahren.

Früher war es Biene Maja, die Fußballsammelbilder der WM 78 und der EM von 1980 – Groschenverschlinger meiner Kindheit. Die leeren Stellen in den Alben erste Zeugen mangelnden Jagdeifers und fehlenden Sammlerglücks. Kurze Episoden, längst verstaubt in Kisten auf dem Dachboden. Es folgten die Zeiten, in denen ich mich über all die Überraschungsei- und Schallplattenanhäufer erhaben dünkte. Aber nun: silberne Harfen, goldene Revolutionsparolen … Jeder Einkauf wird zum Ereignis, mit zitternder Hand drehe ich die Wechselmünzen um – wieder nichts dabei. Meine Freunde haben bereits lange Ohren von meinen ständigen Bitten, mal im Portemonnaie zu gucken, ob nicht die eine oder andere Fremdländische dabei sei.

Doch eine offen gelebte Leidenschaft bringt auch Zuspruch und unerwartete Bekenntnisse. M., mit der ich seit Jahren zusammenlebe, gestand mir, eine Sammlung von goldenen Fünfrappenstücken zu besitzen – für Brautschuhe natürlich. Exquisit. G. sammelt korsische Eurofälschungen und T. als überzeugter Antizykliker warf sich pünktlich zum Jahreswechsel auf Markstücke. Vollständigkeit ist sein Ziel: alle Jahre, alle Münzstätten. Seit neuestem geht er regelmäßig zu Haushaltsauflösungen und hofft, so an Sparstrümpfe alter Frauen zu gelangen. Ich hingegen verbringe Wochenenden am Flughafenkiosk und im Sommer geht es nach Monte Carlo oder in den Vatikan. Vielleicht auch Finnland. Mal sehen, was noch fehlt. CARSTEN WÜRMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen