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Wie die Memmen

Nach dem 0:1 bei Hansa Rostock müssen sich die Spieler des 1. FC Nürnberg von ihrem Coach verhöhnen lassen

ROSTOCK taz ■ Was haben die Fußballprofis des 1.FC Nürnberg mit „Memmen“ gemeinsam? Sehr viel – zumindest, wenn man ihrem Trainer Klaus Augenthaler glauben will. „Memmensport statt Männersport“, fand der Club-Coach, habe sein Team bei der in der Tat jämmerlichen Niederlage in Rostock geboten. Vom angekündigten Siegeswillen an der Küste war bei den „Clubberern“ in der Tat wenig bis gar nichts zu sehen. „Man sitzt kaum, schon fällt das 0:1“, meinte Augenthaler, der sogar beobachtet haben will, dass „meine Mannschaft in der zweiten Halbzeit nicht ein Mal aufs gegnerische Tor geschossen“ hat. Fazit: „So kann man in der ersten Liga nicht bestehen.“

Dabei war die Chance durchaus groß, sich im Kampf um den Klassenerhalt gegenüber dem ärgsten Kontrahenten, dem SC aus Freiburg, noch mehr Luft zu verschaffen, schließlich stand Rostock nach der 3:4-Pleite in Bremen vor heimischem Publikum ebenfalls gehörig unter Druck. Doch die Nürnberger konnten in keiner Phase des Spiels auch nur annähernd für Gefahr vor dem hanseatischen Tor sorgen. Die dabei offen zutage tretenden fußballerischen Defizite bündelte Club-Stürmer Paulo Rink in einen wenig frommen Wunsch: „Wir können nur hoffen, dass Freiburg noch schlechter ist als wir.“

Ausgerechnet Freiburg! Die Breisgauer hatten schon an den letzten Abstiegen der Franken maßgeblichen Anteil: 1994, als es noch zwei Punkte pro Sieg gab, holten die Schwarzwälder in den letzten drei Saisonspielen noch sechs Zähler Rückstand gegenüber Nürnberg auf. Noch dramatischer war es im Mai 1999. Damals reichte dem SC am letzten Spieltag ein 2:2 im direkten Duell im Frankenstadion, um die sich bereits gerettet geglaubten Nürnberger in die Hölle der zweiten Liga zu schicken.

Wie es diesmal ausgeht, ist, vier Spieltage vor dem bitteren Ende, noch offen. Fest für Rink steht nach der Niederlage im Ostseestadion nur: „Rostock ist jetzt auch raus aus dem Rennen. Es geht nur noch um Freiburg und uns. Diese zwei Mannschaften kämpfen um den letzten Platz in der Bundesliga.“ Auch wie dieser zu erreichen ist, weiß die Nürnberger Sturmkraft: „Wir müssen einfach besser spielen.“

Fraglich ist allerdings, ob die erneut ideenlosen Nürnberger angesichts ihres Restprogramms (Bayern, Schalke, Leverkusen und St. Pauli) dazu noch kommen. Auf jeden Fall werden sie gegenseitige Schuldzuweisungen unterlassen müssen, wie sie David Jarolim im Ostseestadion von seinen Mannschaftskollegen in geballter Form abbekam. „Manchmal ist der eine auf den anderen sauer“, versuchte Trainer Augenthaler zwar, der Situation die Brisanz zu nehmen, weiß aber auch, dass es besser wäre, wenn sich jeder „an die eigene Nase fassen“ würde, Grund dazu gäbe es genug.

In der momentanen Verfassung traut Augenthaler seiner Truppe jedenfalls nicht sonderlich viel zu, schon gar nicht im nächsten Heimspiel gegen den deutschen Noch-Meister: „Wir können gegen die Bayern nur punkten, wenn sie am Mittwoch bei Real Madrid erst im Elfmeterschießen weiterkommen, danach die ganze Nacht durchfeiern und wir mindestens 200 Prozent geben.“ Und Manager Edgar Geenen legte, seinem finsteren Naturell entsprechend, nach: „Wenn ich jetzt sagen soll, welche Möglichkeiten es noch gibt, der Mannschaft Konsequenzen anzudrohen, komme ich fünf Jahre ins Gefängnis.“

Der Ernst der Lage ist zumindest der Führungsetage des Clubs bewusst, auch wenn Augenthalers Wunsch („So wie die in Rostock gespielt haben, müssten sie 50 Prozent ihres Gehalts abgeben“) kaum erfüllbar sein wird. Immerhin Paulo Rink sieht seine Mannschaft gegen die Bayern im psychologischen Vorteil: „Verlieren wir, sagt jeder, dass es normal ist. Das kommt uns entgegen.“ Was aber so viel auch wieder nicht heißen muss, schon vor dem Rostock-Spiel war sich der Stürmer sicher, dass „Hansa uns liegt. Da holen wir drei Punkte.“ Am Ende standen sie dann doch mit leeren Händen da – und als Memmen. OLLI SCHUBERT

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