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Kämmen, scheren, trimmen

■ Drei Wochen Hundepflege für einen guten Zweck: Die „Kynologin“ Irmgard Dege-Neumann aus Bremen berät Herrchen und Frauchen gänzlich sowie ganzheitlich – und derzeit nur gegen deftige Spenden für das Tierheim in der Hemmstraße

ährend Candy in der Wanne sitzt, düsen die Pudel Masha und Kira durchs Badezimmer, Labrador Guri erklimmt derweil den Wannenrand. Aus dem Garten prescht ein weißes Wollknäuel herein: Chaos! Mittendrin die Eigentümerin des Hundesalons in der Bismarckstraße, Irmgard Dege-Neumann.

„Heute ist was los“, stöhnt die Hundepflegerin – immer mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Ununterbrochen klingelt das Telefon: die Presse. „Wie soll ich denn so arbeiten?“

Die mediale Aufmerksamkeit gilt Dege-Neumanns alljährlicher Spendenaktion. Drei Wochen lang können Bremer HundehalterInnen ihre Vierbeiner gegen eine Spende zugunsten des Tierheims n der Hemmstraße scheren und trimmen lassen. Und das auch noch mit echt ganzheitlichem Pflegeansatz! „Mein Beitrag zum Tierschutz“, erklärt Dege-Neumann.

Colliehündin Candy lässt sich geduldig abbrausen, wirft den Kopf zurück und kneift die Augen zusammen. „Sie genießt die Pflege“, erklärt Dege-Neumann. Kein Wunder, Candy wird mit rückfettendem Jojoba-Shampoo und Spülung eingeschäumt. Eine spezielle Pflegeserie für die ältere Hündin. Welpen bekommen sogar noch mehr Extrawürste: Sie werden ausgiebigst mit „extra-sensitivem Babyhunde-shampoo“ aus dem Hause Bayer verwöhnt.

Andrea Lehr und Annett Homolya heben Candy zum Trocknen auf große Handtücher. Die Tierschützerinnen absolvieren einen dreiwöchigen Kynologie-Grundkurs bei der erfahrenen Dege-Neumann. Kynologie: Das ist die „Lehre von Hunden“.

Frau Dege-Neumann betreibt sie sogar „ganzheitlich“. Klingt nach Naturheilverfahren und Esoterik. „Das Waschen und schneiden ist eigentlich zweitrangig“, sagt die Kynologin. „Ich berate die HundehalterInnen in Sachen Verhalten, Ernährung und Gesundheit.“ Dazu schaut sie den Vierbeinern in Popo, Ohren und Mund. „Zahnstein kommt immer wieder vor“, mahnt sie und schickt die Herrchen beziehungsweise das Damchen bei Bedarf mit ihren Lieblingen zum Tierarzt.

Candy wartet inzwischen geduldigst im Frisörbereich. Sie thront auf einem wundersamen Plastiktisch mit Fesselvorichtung für die bösen Hunde, die nicht stillhalten wollen. „Tut nicht weh“, versichert Pflegeschülerin Lehr. Candy, ganz Dame, bleibt lieb, entspannt – und somit ungefesselt.

Auch die Fellpflege scheint ihr zuzusagen, die schwarzen Augen werden klitzeklein. Auf und nieder, surrt die elektrische Hundebürste durch Candys goldbraunes Fell, bis sich der Boden mit fluffigen Haarknäulen füllt. Ein echter Wellness-trip!

Die Pudel toben derweil um die Kühltruhe, auf der nicht Langnese, sondern Frosti-Fix steht. „Ausgewogene Kost ohne künstliche Zusätze“, verspricht ein leuchtend grüner Aufkleber. Also ist so was wie Tiefkühl-Chappi drin. Offensichtlich wissen Masha und Kira „das Fresserlebnis für den Hund“ zu schätzen.

„Die Pudel gehören mir“, verrät Dege-Neumann. Und: „Brauchen auch mal wieder eine neue Frisur.“ Alle vier bis sechs Wochen werden die Löckchen und der Bommelschwanz gestutzt. Fesch-frisierte Pudel, lange Zeit Ikonen der Hundesalons, sind heutzutage jedoch selten geworden.

Auch Hundemoden gehen vorüber. „Jetzt kommen die meisten Kunden mit Trimmrassen“, erklärt die Kynologin. Rauhhaardackel, Schnauzer und Terrier müssen unters Spezialmesser – zum Zupfen. Autsch! „Tut wirklich nicht weh“, erklärt Pflege-Schülerin Homolya. Nur die abgestorbenen Haare werden ausgezupft.

„Ich könnte keinem Tier etwas zuleide tun“, sagt Dege-Neumann, die seit 40 Jahren Hunde pflegt. „Ich liebe Tiere und Menschen.“ Im Zweifelsfall ergreift die Kynologin jedoch für die Vierbeiner Partei: „Wenn es Probleme mit den Hunden gibt, liegt das leider meist an den BesitzerInnen. Die machen die Tiere oft krank oder wild.“ Und schmunzelnd vor Liebreiz ergänzt sie: „Ich weiß nicht wieso, aber zu mir fassen die Hunde immer ganz schnell Vertrauen“. Antonia Götsch

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