Nur dem Glück zu verdanken

■ Der Unfall im AKW Brunsbüttel hätte schlimmer Folgen nach sich ziehen können als bisher bekannt wurde

Dass bei der Leitungsexplosion im Atomkraftwerk Brunsbüttel nichts schlimmeres passierte, ist „nur dem Glück zu verdanken“. Zu diesem Schluss kommt der Atomexperte Helmut Hirsch in einem Kurzgutachten über den Störfall vom 14. Dezember. Das erschreckende Ausmaß des Schadens war erst zwei Monate später erkannt worden, weil sich die Betreiberin KKB, eine Tochtergesellschaft der HEW, geweigerte hatte, die Anlage zur Überprüfung herunterzufahren.

Innerhalb des Sicherheitsbehälters des Kraftwerks war eine armdicke Rockleitung auf zwei bis drei Metern Länge zerborsten. Hätte sich diese Knallgasexplosion näher am Reaktordruckbehälter ereignet, wäre radioaktiver Dampf aus dem Reaktor geströmt und hätte den Sicherheitsbehälter verstrahlt. „Das wäre wohl das Aus für das Kraftwerk gewesen“, vermutet der Staatssekretär im Schleswig-Holsteinischen Energieministerium Wilfried Voigt (Grüne).

Die Explosion hätte nach Einschätzung Hirschs aber noch sehr viel gefährlichere Folgen haben können: So hätten Trümmerteile den stählernen Sicherheitsbehälter durchschlagen können, so das der strahlende Dampf in die Umgebung gelangt und eine radioaktive Wolke auf das 20 Kilometer entfernte Itzehoe zugeschwebt wäre. Trümmer hätten auch das Reaktorschutzsystem zerstören können, so dass der Betriebsmannschaft entscheidende Daten für den Umgang mit dem Störfall gefehlt hätten. In beiden Fällen hätte es schließlich zur Kernschmelze und damit zum GAU kommen können.

Voigt hält derlei Szenarien, bei denen es zu einer Verknüpfung vieler unglücklicher Umstände kommen müsste, für verwegen. „Es macht wenig Sinn, über worst-case-Fälle zu spekulieren“, findet er. Viel wichtiger sei es, die Zuverlässigkeit der Betreiber sicherzustellen.

Nach dem jüngsten Spiegel-Bericht über angebliche Ohrenzeugen der Explosion habe man die KKB aufgefordert, sämtliche Mitarbeiter zu nennen, die sich zur fraglichen Zeit im Reaktorgebäude aufhielten, sagte Voigt. Anhand ihrer Aussagen soll festgestellt werden, ob kritische Informationen nicht weitergegeben oder vom Betreiber unterschlagen wurden. Dieser hatte ein harmloses Dichtungsleck unterstellt. Nach Recherchen des Energieministeriums gab es jedoch eine Vielzahl von Messdaten, die die Betriebsmannschaft hätten stutzig machen müssen. Gernot Knödler