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Durch's de Mello-Fenster

■ Monika Treuts Dokumentarfilm „Kriegerin des Lichts“

Es passt einfach nicht zum Zeitgeist. „Verführung: Die grausame Frau“ von 1985 zum Beispiel. Ein avantgardistischer Spielfilm über S/M – Emma hat ihn nicht gemocht. Danach interessierte sich die Hamburger Filmemacherin Monika Treut für „Female Misbehavior“ (1992), für vier Frauen und ihre sexuellen Obsessionen. 1999 begleitete sie dann die „Gendernauts“ durch San Francisco: Ein Porträt von neun Hermaphroditen und Transsexuellen, die die Grenzerfahrung suchen.

Und jetzt das. Gerade zu einer Zeit, da Sex als Medien-Dauerbrenner Konjunktur hat, dreht Treut einen Film über Straßenkinder in Rio de Janeiro. Genauer: Über die Street-Workerin Yvonne Bezerra de Mello und ihre Hilfsorganisation „Projeto Uerê“. Ein Anachronismus und ein provokanter dazu – einen engagierten Gutmenschen zu porträtieren, das riecht nach Mutter Theresa und Betroffenheit. Das ist nicht hip.

Zumal de Mello nicht nur bewundernd als „Kriegerin des Lichts“ verkauft wird, sondern auch noch als bildende Künstlerin und Schriftstellerin. Und als eine Person mit bewegter Vergangenheit: De Mello stieg als Diplomaten-Gattin in die Oberklasse auf, ließ sich scheiden, schlug sich als Sekretärin durch und kehrte via Heirat wieder in die Oberklasse zurück. International bekannt wurde sie 1993, als sie den Mord an acht Straßenkindern durch Polizisten an die Öffentlichkeit brachte und sich darum kümmerte, dass der Fall untersucht wurde.

Im Film erzählen diese Lebensgeschichte de Mellos Tochter, ihre Eltern und de Mello selbst. Wie überhaupt de Mello den Film immer mehr an sich reißt: Regisseurin Treut hält sich mit eigener Kommentierung weitgehend zurück, beschränkt sich darauf, ihre Protagonistin zu Hause und bei der Arbeit in den Favelas so viel als möglich selbst zu Wort kommen zu lassen. „De Mellos war für mich das Fenster, durch das ich in die Favelas schauen konnte“, so Treut.

Die Regisseurin verlässt sich also ganz auf die Überzeugungskraft ihrer Protagonistin, und das funktioniert: de Mello engagiert sich in den Elendsvierteln mit einer Selbstverständlichkeit, die durch keine Attitüde schal wird. Die Frau ist resolut statt betroffen, sie hilft, ohne sich dadurch selbst helfen zu wollen. Und sie hat gute Laune dabei, weil sie sich mit der Situation abgefunden hat, ohne deshalb zynisch zu werden.

De Mellos Methoden zu helfen sind nicht neu, vor Treuts unaufdringlicher Kamera aber auf's neue überzeugend: De Mello versucht, das Selbstwertgefühl der Kinder durch voraussetzungslose Zuneigung zu heben. Neben der Schulbildung kümmert sie sich auch um Kultur, und zwar um die Kultur der Ahnen, die im Überlebenskampf der Favelas verloren gegangen ist und doch den ersten Schritt darstellt, das Bewusstsein der Menschen für sich selbst zu entwickeln.

Monika Treut hat mit „Kriegerin des Lichts“ einen „Diskussionsfilm“ gedreht, einen, bei der ihr die deutschen Verleihfirmen sagten: „Sowas wollen die Kinos nicht zeigen.“ 50 Absagen habe sie in Deutschland bekommen und würde jetzt die Kinobetreiber direkt ansprechen – nach Berlin und Hamburg ist Bremen die dritte deutsche Stadt, in der der Film gezeigt wird. Anders in den USA: Treut fand in New York sofort einen Verleih, „der gute Kontakte zu politischen Initiativen wie der UNO unterhält“. Ein Diskussionsfilm also. Möglich, dass auch der Zeitgeist sich in ein paar Jahren mal wieder für das Genre interessiert. Jakob Flex

ab Donnerstag täglich um 19 Uhr im Cinema am Ostertorsteinweg

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