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Terror ist keine Religionsfrage

■ Der bekennende Protestant Hans Koschnick erntete in der Fatih-Moschee Applaus für seine Rede gegen „Multikulti“-Einheitsbrei

„Sprache ist die Voraussetzung für Integration.“ Das hätte Hans Koschnick, ehemaliger EU-Beauftragter im herzegowinischen Mos-tar, Ex-Bürgermeister von Bremen und charismatische SPD-Ikone, am Montagabend in der Fatih-Moschee nicht noch ausdrücklich sagen müssen – auch wenn er gefragt wurde. Schließlich hatte Koschnick gerade eine gute Stunde lang in seinem rasanten, typischen Sprechtempo die Schlaglichter europäischer Geschichte Revue passieren lassen. Thema seines Vortrags: „Multikultur oder Interkulturelles Zusammenleben – Die Frage für ein friedliches Miteinander.“

Alle Pointen saßen, rhetorisch auf sein gemischtes 50-plus-Publikum zugeschliffen. Wie man es von einem gestandenen Sozialdemokraten erwarten darf, der auf vielen Ebenen der internationalen und gemischt-religiösen Ligen gespielt und doch nicht vergessen hat, wo er herkommt. So dass auch holprig-deutschsprachige Zuhörer im vollbesetzten Café-Raum der Gröpelinger Moschee deutlich verstehen konnten: Dieser Mann will den Menschen die Freiheit lassen, sich für ihren eigenen Lebenstil in Deutschland zu entscheiden.

„Ich bin gegen den Einheitsbrei“, sagte Koschnick ausdrücklich. Aber wer sich assimilieren wolle, wer seine kulturelle Identität in Deutschland in den Hintergrund stellen und sich anpassen wolle – bitte schön. „Solange es eine private Entscheidung bleibt“, ohne dass es einen politischen Auftrag von oben gebe. Sein Plädoyer: „Lasst uns lernen, interkulturell zusammen zu leben.“

Was ihn dabei treibt, das machte Koschnick klar, ist pure Einsicht in „die wirkliche Frage“. Die lautet: „Gelingt es uns allen, da, wo wir einwirken können, klarzumachen, wie stark wir aufeinander angewiesen sind?“ Dabei warnte er vor falschen, rosigen Idealen: Glaube doch niemand, in Sarajevo habe der Papst den Muslimen einen Gefallen tun wollen, als er die Katholiken aufforderte, Schluss zu machen mit der Verfolgung. Vielmehr habe der oberste Katholik im Bewusstsein gehandelt, dass es zahlenmäßig mehr christliche Gemeinden in der muslimischen Welt gebe als umgekehrt. Frieden zu halten sei die größere Klugheit.

„Und dabei geht es nicht um unsere Zukunft. Es geht um die Zukunft der Kinder und Kindeskinder“, mahnte der Bremer Friedens-profi. Applaus bekam er in der Gröpelinger Moschee auch von allen Seiten, als er sich gegen die Gleichmacherei des „Multikulti“ aussprach. Religion präge die Menschen stark. Dies müsse respektiert werden. Sie sei aber wie die Kultur nicht der eigentliche Streitgrund. Dies zeige das Beispiel Mostar, wo instrumentalisierter Nationalismus im Jugoslawienkrieg 450 Jahre friedlichen Zusammenlebens in der ehemaligen Vielvölkerstadt beendete. „Demagogische Verführung und Ideologien, die Religion missbrauchen“ – dies seien übliche Mechanismen, die in wirtschaftlich knappen Zeiten wie Hebel funktionierten, die das System aus den Angeln heben. Überall auf der Welt. Weswegen Hans Koschnick nach seinem Vortrag „die Frage, die wir hier eigentlich wichtig finden, Herr Koschnick“, zu hören bekam: „Wie können wir den muslimischen Mitbürgern nach dem 11. September noch ohne Misstrauen begegnen?“

„Fundamentalismus ist keine Frage der Religion“, reagiert Koschnick ganz ruhig auf die Verallgemeinerung. Er wisse, wovon er rede, schließlich habe er auf der Liste der Baader-Meinhof-Gruppe gestanden und sollte „umgelegt“ werden. „Das waren Christen“, so Koschnick. Aber er habe nicht angefangen an der Christenheit zu zweifeln. „Sowas ist keine Frage der Religion.“ ede

Am 21. Mai, 18.30 Uhr, ist die Bundesausländerbauftragte Marieluise Beck Gast in der Fatih-Moschee

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