: Der Tiger kehrt zurück
Nach vier Jahren Rundumerneuerung schippert der felllose Kohledampfschlepper bald wieder durch den Hafen ■ Von Silke Schlichting
Ein kleines Pappschild mit der Aufschrift „Farbe!“ erinnert noch an den letzten Arbeitseinsatz von Schiffsführer Otto Hennecke und seiner Frau Helga. Doch die Farbe ist bereits getrocknet. Die Arbeiten am letzten kohlebefeuerten Hafendampfschleppper namens „Tiger“ sind fast abgeschlossen. Am Sonntag, den 28. April, wird er nach umfangreicher Restaurierung seinen Fahrbetrieb wieder aufnehmen.
„Tiger“ – ein ungewöhnlicher Name für einen grundsoliden Hafenschlepper im aristokratischen Hamburg. Verpasst bekommen hat ihn der 1910 erbaute Pott, weil einer der größten Kunden seines Dienstherren die Altonaer Mühle E.P. Lange & Söhne war: Hier wurde das damals so gerufene „Tigermehl“ gemahlen. Echte Tiere wurden dafür allerdings nicht in Mitleidenschaft gezogen, man beschränkte sich auf die pflanzlicher Basis. Dem nun auf den Namen „Tiger“ hörenden Elbschlepper, ist sein eigener Taufmythos aber immer egal gewesen. Wenn er nicht zum Schleppen und Bugsieren von Schuten voller Getreide im Einsatz war, schipperte er Hafen- und Werftarbeiter hin und her oder brachte Ausflügler ins Alte Land. Etwas Besonderes waren seine Einsätze als Startschiff für Segelregatten. Denn erst auf Kommando des platten Malochers durften in den 20er Jahren die stolzen Segler in See stechen.
In den sechziger Jahren wurde der „Tiger“ in Rente geschickt. Einigen engagierten Mitgliedern des Vereins Museumshafen Övelgönne ist es zu verdanken, dass der alte Schlepper nicht in der Schrottpresse landete. Nach zwölfjährigem Ruhestand wurde der Kahn flottgemacht und anlässlich des 790. Hafengeburtstags wieder unter Dampf gesetzt.
Hennecke und seine Frau gehören zu einer Crew von zwölf Leuten, die ihren „Tiger“ hegen und pflegen. Auf ehrenamtlicher Basis begleiten immer fünf, ein Schiffsführer, zwei Decksleute und zwei Maschinisten, die Ausflugsfahrten. Denn heute kann der „Tiger“ gechartert werden. Rund 500 Euro, der Preis steht noch nicht genau fest, kostet es, um Hochzeiten, Betriebsausflüge oder Geschäftsabschlüsse auf dem liebevoll restaurierten Pott zu feiern. Zu den Decksleuten gehört auch Martin Weise, Amtsrichter in Altona. Alle zwei bis drei Wochenenden erklärt er den Gästen, wo sie die Rettungswesten finden, und passt auf, dass keiner über Bord geht. Oder er beteiligt sich an den vielen anfallenden Instandhaltungsarbeiten.
Die „Tiger“ sticht am 28. übrigens nicht alleine wieder in See. Auf ihrem Weg in den Museumshafen nach Övelgönne wird sie von ihrem verwandten „Schwester“-Schiff mit dem Namen „Claus D.“ begleitet.
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