: Jenseits der Anhöhe
■ Zum Konzert am Sonnabend: Ein Gespräch mit Billy Bob Thornton über sein Countryrock-Album „Private Radio“ und das Filmgeschäft
Es gibt das offizielle Hollywood, mit seinen Preisverleihungen und legendären Cocktailpartys, auf denen die nächsten Projekte geplant werden. Und dann gibt es Veranstaltungen, die ausschließlich dazu dienen, die eigenen Produkte anzupreisen und sich selbst zu vermarkten. Unter diese Kategorie fallen die ständigen Neueröffnungen der Restaurantkette „Planet Hollywood“. Immer, wenn eine neue Filiale eingeweiht wird, reisen Anteilseigner wie Bruce Willis oder Arnold Schwarzenegger an und greifen zur Gitarre oder schütteln Kühlschränke. Neben Willis hat sich nun auch Johnny Depp als Guitarrero geoutet, Steve Martin spielt gar Banjo, und von den vielen anderen möchten wir es lieber gar nicht wissen. So viel zu den Hügeln Hollywoods.
Es gibt aber auch eine Welt jenseits der starbesetzten Anhöhe. Es ist die Welt des Außenseiters Billy Bob Thornton. Auch er hat eine Platte gemacht, aber mit hobbyhafter Bekämpfung von Langeweile hat das wenig zu tun. Thornton gehört nicht zu der Kategorie Schauspieler, die ihren Ruhm nutzen, um auch mal ein Platte zu verkaufen.
1981 war Thorntons früher Weg als Schlagzeuger und Roadie eigentlich beendet. Ein Bekannter holte ihn aus Arkansas in seine Theatergruppe nach Kalifornien. Neun Jahre später drehten sie den Film One False Move, der zwar kein Kassenschlager wurde, bei der Kritik aber gut ankam. Danach ging es Schlag auf Schlag, und die zusätzliche Arbeit als Drehbuchautor und Regisseur (etwa A Sling Blade) ließen die Musik für Thornton immer weiter in den Hintergrund treten.
Jetzt hat er an seine alten Zeiten angeknüpft: Vor kurzem ist Thorntons Album Private Radio erschienen, das er zusammen dem Country-Musiker und Produzenten Marty Stuart und dem Hank Williams-Steel-Gitarristen Don Helms gemacht hat. Während des Interviews im Hotel ist Thorntons oft kolportierte Phobie gegen antike Möbel chancenlos: Die Sitzgelegenheiten haben sich als Nachbauten herausgestellt. Und nun fragt er, ob es in Hamburg ein Star Club-Museum gibt, wo man Beatles-Shirts kaufen kann. In Tokyo gebe es ein Geschäft, das ausschließlich Devotionalien der Fab Four anbietet. Dort habe er sich ein T-Shirt gekauft, das er zur Albumstournee anziehen wollte. Doch die Wäscherei des Hotels hat daraus ein Geschenk für seinen kleinen Sohn gemacht.
taz hamburg: Was mögen Sie lieber, Musiker, die sich auch mal als Schauspieler versuchen, oder umgekehrt?
Billy Bob Thornton: Das ist mir gleich. Egal ob Film oder Musik, es geht immer darum, Geschichten zu erzählen. Zur Zeit versuchen viele Musiker in Filmen unterzukommen, aber dagegen ist auch nichts einzuwenden, es sei denn, sie wollen damit bloß ihren Marktwert in die Höhe zu treiben.
Meinen Sie nicht, dass sich ihre Platte jetzt besser verkauft, weil Sie ein bekannter Schauspieler sind?
Nein, Private Radio ist bewusst ein düsteres Album. Ich glaube nicht, dass sich die Platte mehr als 15.000 Mal verkaufen wird. Auf finanziell durchschlagende Musik habe ich keine Lust. Das würde für mich nur Sinn machen, wenn ich ein Benefizprojekt vor Augen hätte.
Sie haben einmal John Ford und Jim Jarmusch als ihre Vorbilder beim Filmen benannt. Wer sind ihre Vorbilder in der Musik?
Die Einflüsse hört man der Platte sehr deutlich an. Wir orientieren uns am Sound von J.J. Cale, Tom Waits, The Byrds, Johnny Cash.
Wollen Sie jetzt mehr Musik und weniger Filme machen?
Das Großartige an Musik ist, dass sie sich im Vergleich zu einem Film mit wenigen Menschen verwirklichen lässt. Und die Einspruchsmöglichkeit der Labels, vor allem von so einem kleinen wie Lost Highway, ist geringer. Das bedeutet natürlich größere Freiheit. Aber wenn ich einen einfachen Independent-Film pro Jahr machen könnte und wenn jährlich eine Platte mit einem guten Konzept von mir herauskäme, wäre ich glücklich. Allerdings müsste ich dann alle drei bis vier Jahre eine Rolle in einem Kassenschlager wie Armageddon annehmen, um meine Rechnungen zu bezahlen. Denn für Filme wie The Man Who Wasn't There gibt es keine nennenswerten Gagen.
Sie würden wieder einen Film wie Armageddon machen?
Niemals, ich schäme mich dafür, in diesem gigantischen Rock-Video mitgemacht zu haben. Filme wie Bandits liegen mir mehr. Es ist angenehm, Leute zum Lachen zu bringen, indem man eine eigenartige Figur darstellt.
Die Figuren, die sie in Filmen spielen, haben oft so eine Art humorvolle Distanz zu sich selbst. Ihre Platte ist dagegen viel emotionaler, fast pathetisch.
Es ist ein Unterschied, ob man in einem Film nur mitspielt, oder eine Platte und einen Film selbst macht. Für meine eigene Arbeit halte ich Humor für nicht so wichtig.
Aber einen witzigen Song gibt es auf ihrer Platte doch.
Ja, genau, „Smoking in Bed“. Ich habe 20 Jahre lang geraucht. Ich liebe das Rauchen und alles, was damit zusammenhängt. Aber nach The Man Who Wasn't There habe ich mit dem Rauchen aufgehört. Ständig musste ich in dem Film filterlose Zigaretten rauchen. Und wenn schließlich eine Drehpause kam, habe ich noch, wie jeder Raucher in Arbeitspausen, meine eigenen Zigaretten geraucht. Das war einfach zuviel.
Text u. Interview: Nikola Duric
Konzert: 13.4., 20 Uhr, Schlachthof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen